Home » Rezensionen » Lone Survivor – Heldenepos mit Hollywood-Effekt
18. Oktober 2014von Martin Sowa
RedakteurBasierend auf dem gleichnamigen Buch erzählt Lone Survivor die Geschichte der fehlgeschlagenen Operation „Red Wings“, die der Autor Marcus Luttrell als einziger Mitglied eines SEAL-Teams überlebte. Auf dem Weg von Afghanistan nach Hollywood blieben allerdings Teile der Realität auf der Strecke…
2005 in Afghanistan: Der Krieg der US-Armee gegen die Taliban tobt. SEAL-Teams werden mit der Tötung hochrangiger Taliban-Führer beauftragt. Auch das vierköpfige Team 10 um Michael P. „Murph“ Murphy (Taylor Kitsch), Marcus Luttrell (Mark Wahlberg), Matthew „Axe“ Axelson (Ben Foster) und Danny Dietz (Emile Hirsch) wird für eine solche Mission eingeplant, um den Taliban Ahmad Shah zu eliminieren. Doch nachdem zunächst ihre Funkverbindung Probleme macht, werden sie von drei einheimischen Ziegenhirten entdeckt. Nach hitziger Debatte entschließen sich die Soldaten, die Hirten freizulassen und die Mission abzubrechen. Doch einer der Hirten sucht sofort die naheliegende Station der Taliban auf. Sofort rücken deren Kämpfer aus, um die Amerikaner zu stellen. Im folgenden Gefecht geht es heftig zur Sache und so trifft Mike Murphy den Nagel auf den Kopf, als er relativ früh im Gefecht den Satz „Wenn Gott so auf uns aufpasst, will ich ihn nicht wütend erleben“ äußert. Relativ schnell sterben allerdings die ersten beiden Mitglieder des Teams und nach einer missglückten Luftrettungsaktion, bei der ein Helikopter abgeschossen wird, erwischt es auch den dritten Mann. Einzig Luttrell überlebt mit viel Glück und wird von einheimischen Paschtunen vor den Taliban beschützt, ehe er von weiteren US-Soldaten endgültig in Sicherheit gebracht wird.
Der Film eröffnet mit Szenen aus der Grundausbildung der SEALs, die die Härte dieser Soldaten zeigen soll. Nach dieser Mini-Dokumentation befinden wir uns an Bord eines Helikopters, der den schwer verwundeten Luttrell in Sicherheit bringt – die Geschehnisse werden anschließend in einer Art Rückblende erzählt, bevor man zum Schluss wieder in der erwähnten Szene landet. Nach einem Schnitt lernt das Publikum die vier Mitglieder des Teams der „Operation Red Wings“ kennen, der echte Luttrell selbst taucht ebenfalls als Darsteller auf. Während der Einsatzbesprechung folgen parallel Szenen zum Ziel der Mission, dem Talibanführer Ahmad Shah. Dessen Leute töten brutal einen der ihren durch Enthauptung, da er sie angeblich betrogen hat. Damit soll das Publikum wahrscheinlich gegen die „Bösen“ aufgebracht werden, um die SEALs in ihrem folgenden Kampf gegen die Terroristen bedingungslos zu unterstützen.
Das Gefecht wird von Regisseur Peter Berg tatsächlich extrem packend inszeniert und er greift für dieses Genre zu eher ungewöhnlichen Methoden: die Helden werden als verwundbar dargestellt. Das ist einerseits eine sehr interessante Herangehensweise. Andererseits muss man sich an dieser Stelle auch fragen, warum vier auf Kampf gedrillte Männer mit der wohl bestmöglichen Ausrüstung bereits nach einem kurzen Gefecht gegen mit alten Waffen ausgestattete Taliban in derart große Probleme geraten – wenn „Lone Survivor“ die SEALs würdigen sollte, ist das unter diesem Aspekt ziemlich gescheitert. Auch die diversen unglücklichen Umstände, die das Team in die prekäre Lage bringen, sprechen nicht gerade für die taktischen Geschicke der Einsatzleitung. Überhaupt erstaunlich, dass US-Amerikanische Heldengeschichten im Militär gerne aus einer Verkettung von Fehlplanungen entstehen – siehe zum Beispiel „Black Hawk Down“ oder „Tränen der Sonne“.
Die realistischste Figur des Films ist daher ausgerechnet der SEAL Matthew „Axe“ Axelson, der grob gesagt als Kampfmaschine dargestellt wird. Er scheint die Situation als Einziger objektiv korrekt einzuschätzen. So ist er von Anfang an dafür, die Ziegenhirten zu töten und die Mission wie geplant abzuschließen und stürzt sich immer wieder an vorderster Front ins Gefecht. Er tut das, was die Situation von ihm verlangt, ohne Rücksicht auf irgendwelche Regeln oder Vorschriften. Das muss man nicht gut finden, doch es herrscht Krieg und da lautet die wichtigste Regel im Ernstfall: Töten oder getötet werden – wie gesagt, man muss das nicht gut finden.
Um das Positive am Film hervorzuheben: Die Bildqualität ist selbst bei unserem DVD-Muster für dessen Möglichkeiten hervorragend, die Blu-ray-Version dürfte nah ans Optimum herankommen. Die Landschaft wird in beeindruckenden Bildern festgehalten – allerdings handelt es sich dabei nicht um Afghanistan, sondern New Mexico. Der Ton ist sehr realistisch gehalten – in den Gefechtsszenen sind die Dialoge kaum noch zu verstehen, eben ganz so, als stünde man selbst mitten im Kugelhagel. Als Tonoptionen steht neben der deutschen Fassung auch das englische Original zur Verfügung, beide Sprachen sind auch als Untertitel zuschaltbar. Das Bonusmaterial ist mit über eine Stunde Spielzeit sehr umfangreich ausgefallen und enthält neben den üblichen Kinotrailern gleich vier Featurettes über die SEALs und auch den Ehrenkodex der Paschtunen, der Luttrell rettete. Drei kürzere Kapitel geben Einblick in die Entstehung des Films. Da wird auch gezeigt, wie exzessiv die Darsteller sich auf die Dreharbeiten vorbereitet haben. Die Verkörperung realer Personen ist wahrscheinlich die größte Aufgabe für einen Schauspieler, insofern muss man den Hut vor der Leistung der Mimen ziehen. Mark Wahlberg dominiert als Hauptdarsteller natürlich, doch auch Taylor Kitsch als besonnener und pflichtbewusster Teamleader weiß ebenso zu überzeugen wie der wahrscheinlich eher unbekannte Emile Hirsch. Heimlicher Favorit ist nach subjektivem Empfinden aber der Actionfilm-erfahrene Ben Foster als Matthew „Axe“ Axelson.
Das Problem des eigenen Anspruchs
Handwerklich ist am Film also quasi nichts zu bemängeln. Und wäre er reine Fiktion, fiele die Bewertung auch nochmal besser aus. Doch da er sich an realen Ereignissen messen lassen muss, verdient der in wichtigen Details sehr lockere Umgang mit eben diesen Begebenheiten Kritik (wer einfach nur den Film genießen möchte und sich für politische Diskussionen nicht interessiert, darf gerne direkt zum Fazit springen). So war zum Beispiel die Überzahl der Gegner für das SEAL-Team wesentlich geringer als im Film dargestellt und Luttrell musste nach seiner Aufnahme von Gulab weder erneut gegen die Taliban kämpfen noch nach seinem Abtransport wiederbelebt werden. Insofern sollte man sich trotz des Siegels „based on a true story“ stets vor Augen halten, dass der Film für Hollywood gemacht wurde und für sich allein nicht zur Allgemeinbildung beiträgt. Zumal es nicht nur Unterschiede zwischen Film und Buch gibt, sondern die Erzählungen von Luttrell zudem in Teilen den offiziellen Einsatzberichten widersprechen. Wer letztendlich Recht hat, wird wohl niemals herauszufinden sein.
Ein fader Beigeschmack bleibt in jedem Fall in Hinblick darauf, dass ausgerechnet der einzige überlebende Augenzeuge Luttrell als „Stimme der Vernunft“ agiert, als es darum geht, unschuldige Zeugen als mögliche Gefahr zu eliminieren. Man darf ihm nichts unterstellen, doch es gibt eben auch Berichte, dass der Paschtune Mohammad Gulab, der sein Leben für Luttrell riskierte, seit den Vorfällen in seiner Heimat nicht mehr sicher sei und trotzdem keine Hilfe der US-Regierung bekomme. Das wäre dann mit der im Film dargestellten Handlung kaum zu vereinbaren, denn – wie Mark Wahlberg persönlich zu Gulab sagte – ist eigentlich dieser der wahre Held der Geschichte.
Fazit
Mit „Lone Survivor“ hat Peter Berg eine beeindruckende Regiearbeit abgeliefert. Die oft sinnlose Brutalität des Krieges und ihre Auswirkungen werden schonungslos dargestellt und sind trotz der Einstufung „FSK 16“ mitunter extrem hart. Lobenswert ist das sehr umfangreiche Bonusmaterial, das eine Menge Hintergrundinformationen liefert. Enttäuschend ist lediglich der zu lockere Umgang mit den realen Ereignissen.
Das Ziel der Mission, Taliban Ahmad Shah, wurde übrigens 2008 getötet – von der pakistanischen Polizei.
„Lone Survivor“ ist auf DVD und Blu-ray im Vertrieb von Universum Film erhältlich.
Erscheinungsdatum
17. Oktober 2014
Format
Blu-ray & DVD
Genre
Action
Laufzeit
ca. 121 Minuten
Altersfreigabe
ab 16 Jahren
Regie
Peter Berg
Cast
Mark Wahlberg, Taylor Kitsch, Emile Hirsch, Ben Foster, Eric Bana