Home » Tests » HiFi/Stereo » Definitive Technology SM65 – American Beauty mit inneren Werten
31. Dezember 2014von Jonas Bednarz
RedakteurRegallautsprecher gibt es hierzulande jede Menge. Jedoch keine wie die SM65 von Definitive Technology. Eine Box, die sich optisch wie technisch in einigen grundlegenden Dingen von der Konkurrenz unterscheidet. Ist dieses Konzept nur heisse Luft oder eine echte Alternative?
Ich gebe es gerne zu: Bevor ich die Testexemplare der „StudioMonitor 65“ (oder kurz SM65) geliefert bekam, hatte ich den Namen „Definitive Technology“ noch nie gehört. Dabei ist das Unternehmen aus Owings Mills im US-Bundesstaat Maryland der erfolgreichste Hersteller audiophiler Lautsprecher Nordamerikas. Dass „Def Tech“, wie die Firma dort umgangssprachlich genannt wird, hierzulande bisher kaum Beachtung gefunden hat, lag also wohl eher am hiesigen Vertrieb, als an den Produkten selbst. Das soll sich aber nun ändern, denn die D+M Group, die besonders für ihre namensgebenden Marken Denon und Marantz bekannt ist, hat kürzlich den deutschlandweiten Vertrieb der amerikanischen Schallwandler übernommen.
Wer steckt dahinter?
Gegründet 1990, gehört Definitive Technology mit knapp 25 Jahren Geschäftstätigkeit eher zu den Newcomern im Lautsprechergeschäft. Mit der Mission, die Welt vor schlechtem Klang zu beschützen, ist es den Produktdesignern und Ingenieuren trotzdem schon häufiger gelungen, besonders innovative Entwicklungen in ihre Lautsprecher einfließen zu lassen und sich so von den Mitbewerbern abzusetzen. Dabei ist das Produktprogramm des amerikanischen Herstellers extrem umfangreich: Vom kleinen Desktop-Lautsprecher über Mehrkanal-Satelliten-Systeme, bis zum mannshohen Standlautsprecher ist alles dabei. Der vorliegende SM65 richtet sich als größter Kompaktlautsprecher an alle, die maximalen Stereo-Klang bei minimalem Raumangebot suchen und auf Lautsprecher zurückgreifen möchten, die gut aussehen, den Raum mit ihrer Optik aber nicht dominieren. In Sachen Ausstattung haben die Entwickler dem High-End-Spross daher mit dem Feinsten ausgestattet was Def Tech zu bieten hat und das sind insbesondere die zwei folgenden Schlüsseltechnologien:
Definitive Technology SM65: Die Technik
Als Erstes ist der „BDSS Mid/Bass Driver“ zu nennen, der sogar patentiert ist und als einzige Lautsprechermembran am Markt zwei Lagerungen aufweist. Um zu verstehen wie das Ganze funktioniert und wofür es gut ist, müssen wir ein bisschen ausholen:
Lautsprecher wandeln elektrische in mechanische Energie. Dies geschieht durch schnelle Auslenkungen der Membranen nach vorne und hinten. Durch diesen Vorgang wird die anstehende Luft in Schwingungen versetzt und transportiert den nun hörbaren Schall zum Zuhörer. Damit diese elektromechanische Wandlung so akkurat vonstatten geht, wie wir es von einem High-End-Lautsprecher erwarten, müssen die Membranen dem Musiksignal exakt folgen, möglichst kolbenförmig schwingen und dürfen keine Eigenresonanzen aufweisen. Um genau diese Eigenschaften zu verbessern, hat man sich bei Definitive den „BDSS Mid/Bass Driver“ ausgedacht. Die beiden Lagerungen (Sicken genannt) befinden sich einmal an der Aussenseite, wie man es auch von anderen Lautsprechern kennt und zum anderen in der Mitte der Membran, dort wo für gewöhnlich der Übergang zur Staubschutzkappe sitzt. Durch diese doppelte Lagerung mit zwei Sicken soll nun dafür gesorgt werden, dass die Membran jederzeit kontrolliert das optimale Schwingungsverhalten aufweist.
Ebenfalls aussergewöhnlich am „BDSS Mid/Bass Driver“ ist der sogenannte „Phaseplug“, der in der Mitte der Membran, an der Stelle der Staubschutzkappe sitzt und das Rundstrahlverhalten des Chassis verbessern soll. Auffällig ist hier, dass der Phaseplug nicht die übliche Form einer Pistolenkugel aufweist, sondern wie ein Türknauf geformt ist. Der Vorteil dieser Konstruktion soll darin bestehen, dass Bündelungen und Auslöschungen des Schalls verhindert werden und damit der Sweetspot – also der meist recht kleine Bereich zwischen zwei Lautsprechern, in dem es am besten klingt – vergrößert wird.
In die gleiche Kerbe schlägt auch die Anordnung der beiden Tiefmitteltöner, die den Hochtöner flankieren. Diese Positionierung der Chassis ist die nach ihrem Erfinder benannte „D’Appolito“-Anordnung. Sie sorgt für einen gleichmäßig verlaufenden Frequenzgang des Lautsprechers unter verschiedenen Winkeln. Das wiederum bietet den Vorteil, dass sich der Klang nur wenig mit der Hörposition ändert. Die Hörposition bzw. die Aufstellung der Boxen ist also weniger kritisch als bei einer konventionellen Anordnung der Chassis.
Die Zweite der eingangs erwähnten Besonderheiten der Definitive Technology Lautsprecher ist der sogenannte „Bass-Radiator“. Dieser baut auf den Grundsatz, dass Leistung oder in diesem Fall Membranfläche durch nichts zu ersetzen ist, ausser durch mehr Membranfläche. Denn anders als die meisten Schallwandler befinden sich beim StudioMonitor 65 nicht alle Chassis auf der Front, sondern ein Weiteres – und zwar mit Abstand das Größte – sitzt in der Oberseite des Lautsprechers. Die 15 x 30 Zentimeter messende Schwingfläche wird aber nicht wie üblich direkt vom Verstärker angetrieben, sondern indirekt von den beiden Tiefmitteltönern. Es handelt sich also um eine sogenannte Passivmembran. Das funktioniert durch die Kopplung der Membranen über den Luftdruck im Innern des Gehäuses und kann am besten durch den Vergleich mit einem Federpendel verstanden werden. Genau wie ein Federpendel reagiert die große Membran kaum auf schnelle Impulse, also hohe Frequenzen, dafür aber umso deutlich auf tiefere Frequenzen. Werden über den Lautsprecher also tiefe Bässe abgespielt, beginnt der große „Bass-Radiator“ mit zu schwingen und unterstützt damit die beiden Tiefmitteltöner bei der Basswiedergabe.
Das Design
Nun braucht die ganze Technik der Monitore natürlich eine angemessene Behausung. Und die besteht auch bei Definitive Technology natürlich aus massivem MDF und verfügt über Verstrebungen im Innern, die das Gehäuse zusätzlich versteifen. Das kann man fühlen, wenn man die mit knapp elf Kilogramm Gewicht, nicht eben leichten Lautsprecher anhebt. Alternativ kann man es auch hören, wenn man an unterschiedlichen Stellen ans Gehäuses klopft. Um neben Vibrationen im Innern und Reflexionen aussen am Korpus zu verhindern, sind die Ecken des Gehäuses mit einer großzügigen Phase gebrochen, so dass dort kaum störende Verzerrungen entstehen können. Zusätzlich sind die Chassis in eine abgesetzte Frontplatte aus hochglänzend schwarzem Kunststoff eingelassen, die an den Seiten wellenförmig ausläuft und den austretenden Schallwellen daher wenig Möglichkeiten zur Brechung gibt. In Folge dessen, geben die natürliche Form der Frontplatte und die Kombination aus zwei Schwarztönen den Def-Techs zudem ihr charakteristisches Aussehen.
Selbstverständlich liegen den Boxen natürlich auch Abdeckungen bei und zwar nicht nur für die Front, sondern auch für den „Bass-Radiator“ auf der Oberseite. Rückseitig gibt es dagegen weniger zu entdecken, lediglich das obligatorische Anschlussfeld darf natürlich nicht fehlen. Es bietet die Möglichkeit auch zwei Kabel aufzunehmen, um die Lautsprecher über Bi-Wiring oder Bi-Amping zu betreiben. Eine Bassreflexöffnung, wie sie sonst an den meisten Regalboxen zu finden ist, fehlt am StudioMonitor 65 selbstredend, denn damit der Bass-Radiator funktioniert, muss das Gehäuse absolut dicht sein.
Unerwartete Klangwelten
Die beiliegende, großformatige Anleitung beinhaltet die wichtigsten Informationen zu den Lautsprechern in drei Sprachen und liefert ausserdem ein paar nützliche Hinweise zur deren Aufstellung. So sollen sie idealerweise mindestens zehn Zentimeter von der Rückwand und 15 von den Seitenwänden entfernt stehen. Auch nach oben brauchen die SM65 mindestens fünf Zentimeter Luft, damit der Bass-Radiator ordnungsgemäß seiner Arbeit nachkommen kann. In Sachen Abstand gilt aber definitiv: viel hilft viel, denn mehr Abstand zu den Wänden sorgt dafür, dass diese den Schall erst später reflektieren und der Klang an Präzision gewinnt. Klanglich ebenfalls hilfreich ist eine gewisse Einspielzeit, auf die in einer extra Erklärung explizit hingewiesen wird. Ein paar Stunden pro Tag bei normaler Lautstärke sollen wir dem Lautsprecher fünf bis sieben Tage lang geben, damit er sein maximales Potenzial entfalten kann. Bis zur endgültigen Beurteilung der klanglichen Fähigkeiten muss man sich nach dem Kauf also noch ein bisschen gedulden.
Hat man die Einspielzeit erstmal hinter sich gebracht, kann man dafür umso zufriedener sein mit den Definitive-Monitoren, denn gemessen an Preis und Größe der Lautsprecher machen die 65er durchweg in unserem HiFi-Test eine hervorragende Figur. Besonders auffällig war von Beginn an der ungewöhnliche Bassdruck, der eindeutig dem ausführlich beschriebenen Radiator zu verdanken ist. Dieser liefert einen ganz eigenen, charakteristischen Klang, den man wahrscheinlich auch in jedem Vergleichstest sofort identifizieren könnte. Dabei geht es weniger um Tiefgang oder Intensität der niedrigen Frequenzen – beides ist durchaus angemessen für einen Lautsprecher dieser Größe. Was aber viel mehr beeindruckt, ist viel mehr die lockere Selbstverständlichkeit und Detailverliebtheit mit der die Boxen in tieferen Frequenzlagen reproduzieren. Das passt besonders gut zu Kontrabässen und Percussion bzw. Trommeln, bei denen man die Saiten oder das Fell fast vor sich schwingen sehen kann. Ein Anspieltipp, für einen Song der das besonders deutlich macht, ist auf jeden Fall das Fleetwood-Mac-Cover „Black Magic Woman“ auf Santanas zweitem Album „Abraxas“. Ein Stück, das unseren Testprobanden einfach auf den Leib geschneidert scheint.
Ähnlich detailliert und präzise gelingt den Def Techs die Reproduktion von Stimmen und vor allem deren Positionierung im Raum, der ebenfalls besonders üppig und ausgedehnt dargestellt wird. Was das angeht, macht den amerikanischen Studio-Monitoren so schnell keiner was vor. Breit wie tief wird die Klangbühne mit allen Musikern vor uns aufgebaut. Und zwar und so, dass deren Positionen vom Auditorium perfekt zu orten sind. Richtig, das können viele Lautsprecher. Doch oft klingen einzelne Instrumente dann schnell verhältnismässig gross und andere eher unterdimensioniert. Das ist bei unseren Testgästen jedoch nicht der Fall, denn hier erleben wir ein ausgeglichenes aber keinesfalls glatt gebügeltes Klangbild. „Perfekt gestaffelt“ nennt man das wohl. Erkauft werden diese Eigenschaften allerdings mit einem spritzigen Hochtonbereich der schlechte Aufnahmen schonungslos offen legt und in Räumen mit vielen harten Flächen (Glas, Fliesen-, und Holzböden) schonmal ein bisschen über die Stränge schlagen kann. Ein Makel ist das allerdings nicht, sondern eine Form von Charakter, deren Eigenschaft von vielen Musikfreunden geschätzt und gefordert wird.
Fazit
Mit dem StudioMonitor 65 bietet der erfolgreiche amerikanischen Hersteller Definitive Technology tatsächlich eine sinnvolle Alternative zum überwiegend angebotenen (optischen) Einheitsbrei am Bodenmarkt. Ein Lautsprecher, der gut aussieht und aus seinen kompakten Abmessungen klanglich fast mehr heraus holt, als eigentlich möglich ist. Vollgepackt mit allerhand technischen Innovationen bietet der größte Def Tech-Kompaktlautsprecher jede Menge Klang für relativ wenig Geld und schickt sich an, nach Nordamerika nun auch Europa zu erobern.
Test & Text: Jonas Bednarz
Fotos: www.lite-magazin.de