Home » Serie » Er ist wieder da – Kulturschock für Hitler
7. April 2016von Martin Sowa
RedakteurUnkraut vergeht nicht – fast siebzig Jahre nach verlorenem Krieg und Selbstmord taucht Adolf Hitler wieder auf und muss sich in einem Deutschland zurecht finden, das auf den ersten Blick so gar nichts mehr mit „seinem“ Reich zu tun hat. Allerdings ergeben sich so auch ganz neue Möglichkeiten für ihn…
Berlin im Jahre 2014. Der Zweite Weltkrieg und die Naziherrschaft sind lange vorbei, doch ausgerechnet Adolf Hitler (Oliver Masucci) taucht unvermittelt wieder in einem sozialen Brennpunkt auf. Die letzten siebzig Jahre sind völlig an ihm vorbei gegangen (oder er an ihnen) und so findet er sich komplett alleine in einem ihm absolut fremden Deutschland wieder. An einem Kiosk findet Hitler in den ausliegenden Zeitungen erste Informationen über ein Land, das seiner Erinnerung (und Vorstellung) völlig entgegensteht. Auch von seiner einstigen Macht ist nichts geblieben, doch immerhin gewährt ihm der Kioskbesitzer (Lars Rudolph) vorübergehend Unterschlupf. Dort wird er dann vom kürzlich entlassenen Dokumentarfilmer Fabian Sawatzki (Fabian Busch) aufgefunden. Sawatzki hatte Hitler beim Sichten seines Filmmaterials im Hintergrund entdeckt und will Hitler für eine Fernsehsendung gewinnen, um seinen Job zurück zu bekommen. Hitler willigt ein und die beiden reisen quer durch Deutschland, wobei Sawatzki die Begegnungen Hitlers mit der heutigen Bevölkerung filmt.
Wie geplant ist Sawatzkis alter Sender in Person von der Vorsitzenden Katja Bellini (Katja Riemann), die sich im Konkurrenzkampf mit ihrem Kollegen Christoph Sensenbrink ( Christoph Maria Herbst) und deshalb auf Quotenjagd befindet, vom Material und vor allem Hitler begeistert – obwohl ihn alle nur für einen Imitator halten – und engagiert ihn gleich für verschiedene Sendungen. Mithilfe der Sekretärin Franziska Krömeier (Franziska Wulf) findet Hitler sich langsam in der Gegenwart und der modernen Medienwelt zurecht und nutzt die Chance auf Bühnen- und TV-Auftritte. Gleichzeitig versucht er aber auch, seine politischen Pläne weiter zu verfolgen – bis allmählich Zweifel daran aufkommen, dass Hitler tatsächlich nur ein harmloser Imitator ist. Aus diesem Grund wendet sich Sawatzki noch einmal seinem ursprünglichen Filmmaterial zu und macht eine brisante Entdeckung…
Wenn Adolf Hitler zentrale Figur einer humorvollen Geschichte ist, lautet die erste Frage: Darf man darüber lachen? Im Fall von Er ist wieder da ist die Antwort: Warum nicht! Schließlich ist das erst mal ein wirklich amüsanter Ansatz, der schonungslos die lächerlichen Züge dieser Person offenbart. Problematisch wird es erst, wenn langsam die Erkenntnis reift, dass Hitlers Vorstellung von Deutschland gar nicht mal so weit von den tatsächlichen Gegebenheiten entfernt ist – dann bleibt einem das Lachen auch mal im Halse stecken. Denn obwohl Er ist wieder da durchaus mit komödiantischen Qualitäten punkten kann, wird eben auch der politische Aspekt nicht vernachlässigt und zielt vor allem auf die Propagandamöglichkeiten ab, die Hitler durch die modernen Medien erhält.
Allerdings weicht der Film dabei stark von der gleichnamigen Buchvorlage von Timur Vermes ab. Das betrifft sowohl kleine Details (wie veränderte Vornamen) als auch komplette Handlungsstränge (wie den Konkurrenzkampf zwischen Bellini und Sensenbrink oder die Zukunft des Dokumentarfilmers Sawatzki) von Er ist wieder da. Für diejenigen, die den Roman sowieso nicht gelesen haben, dürfte das eher uninteressant sein – die Bücherfreunde allerdings könnten das etwas kritischer sehen. Wobei das selbstverständlich keineswegs heißen soll, dass der Film schlecht sei, er ist lediglich anders ausgerichtet und macht mitunter noch deutlicher und schmerzhafter klar, dass es auch heutzutage noch genug Leute gibt, die Hitlers Propaganda nicht durchschauen.
Unzweifelhaft positiv hingegen ist die Darstellung von Oliver Masucci in der Rolle Hitlers. Der Halbitaliener ist eigentlich eher als Theaterschauspieler aktiv, was für seine Verkörperung der oft überzeichnet parodierten Figur von Vorteil zu sein scheint. Schließlich ist es sicherlich nicht einfach, einen so realitätsfernen Menschen wie Hitler in der heutigen Zeit so ausbalanciert zu präsentieren, dass man ihm einerseits die Unsicherheit anmerkt, ihn aber nicht völlig deplatziert wahrnimmt.
Letzteres gilt eher für die zahlreichen Youtube-„Stars“ , die in Form diverser Clips in Er ist wieder da auftauchen – zum Glück nur kurz, für ernsthafte Schauspielerei reicht es da einfach nicht. Zum Glück gibt es aber eben auch entsprechende Gegenpole, einerseits bekannte Namen wie Katja Riemann, der sich relativ zurückhaltende Christoph Maria Herbst oder Michael Kessler (die übrigens auch beide schon Hitler darstellten beziehungsweise parodierten) und andererseits eher weniger prominente Gesichter wie im Falle von Fabian Busch (der „Tatort“-Fans allerdings durch zahlreiche Auftritte ein Begriff sein dürfte) oder Franziska Wulf, die in den Rollen von Sawatzki und Krömeier sehr relevant für die Handlung sind. In Hinblick auf die tragenden Rollen kann Regisseur David Wnendt (der auch schon „Feuchtgebiete“ verfilmte) also auf ein erfahrenes Ensemble bauen, das selbst in echten Szenen mit realen Passanten entsprechend gut funktioniert. Einziger Kritikpunkt an der Regie: Ab und zu wirkt der Wechsel zwischen „echten“ Szenen und denen nach Drehbuch etwas verwirrend.
Großes Lob gibt es aber für das extrem umfangreiche Bonusmaterial, das etwas mehr als zweieinhalb Stunden zusätzlicher Making-Ofs, erweiterter und entfernter Szenen sowie einen Kommentar von Wnendt und Masucci beinhaltet. So lässt sich noch einiges mehr über den Film beziehungsweise seine Entstehung erfahren, was insbesondere vor dem Hintergrund der Abweichungen von der Buchvorlage interessant ist.
Technisch ist primär das Bild zu erwähnen, das größtenteils (abgesehen von den „Dokumentarszenen“) sehr ruhig ist und nur ganz selten mit kleinen Unregelmäßigkeiten zu kämpfen hat. Der Ton hält sich recht stark zurück, schließlich gibt es auch wenig Anlass für akustische Spektakel. Lediglich die Filmmusik ist kraftvoll und sehr räumlich.
Fazit
Keine typische Komödie, aber immer noch sehr unterhaltsam kommt Er ist wieder da als Verfilmung des Bestseller-Romans daher. Dass der Film dabei bisweilen stark von der Vorlage abweicht macht gar nichts – für das reine Filmpublikum sowieso und die Leser des Buches können sich so auch noch mal ab und zu überraschen lassen. Bei allem Humor geht allerdings der Ernst nicht unter und so sorgt vor allem die brillante Verkörperung Hitlers durch Hauptdarsteller Oliver Masucci für einige sehr düstere Szenen, die auch der heutigen Gesellschaft schmerzhafte Seitenhiebe verpassen.
„Er ist wieder da“ ist als DVD und Blu-ray im Vertrieb von Constantin Film erhältlich.
Genre
Komödie
Altersfreigabe
ab 12 Jahren
Laufzeit
ca. 116 Minuten
Regie
David Wnendt
Cast
Oliver Masucci, Fabian Busch, Katja Riemann, Christoph Maria Herbst, Franziska Wulf, Michael Kessler, Lars Rudolph
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