Home » Rezensionen » The Whole Truth – Schweigen ist Silber…
8. April 2017von Martin Sowa
RedakteurEin Mordverdächtiger wird am Tatort neben der Leiche entdeckt, der Fall scheint klar. Doch im Laufe des Gerichtsverfahrens entpuppt sich die ganze Wahrheit als wesentlich komplexer als angenommen…
Eigentlich hat Richard Ramsay (Keanu Reeves) klare Regeln bei der Ausübung seines Berufs. Der Rechtsanwalt nimmt keine persönlichen Fälle an, um sich nicht von subjektiven Befindlichkeiten selbst zu sabotieren. Doch als seine langjährige Bekannte Loretta Lassiter (Renée Zellweger) ihn bittet, ihren Sohn Mike (Gabriel Basso) vor Gericht zu verteidigen, macht Ramsay eine Ausnahme. Schließlich kennt er auch den noch nicht volljährigen Mike recht gut und kann sich nicht vorstellen, dass dieser tatsächlich seinen Vater Boone (Jim Belushi), einen ehemaligen Klienten Ramsays, ermordet haben soll. Doch weil er am Tatort von der Polizei aufgefunden wurde und dabei mehr oder weniger ein Geständnis abgelegt hat, scheint die Sache klar und Mike droht nun eine lebenslängliche Haftstrafe.
Ramsay beginnt, eine Verteidigungsstrategie zu entwickeln, hat dabei allerdings auch mit seinem Mandanten zu kämpfen – denn Mike schweigt beharrlich. Doch Ramsay und seine eigens engagierte Assistentin Janelle (Gugu Mbatha-Raw) sammeln mühsam und unermüdlich Details zum Fall – und Mike ist längst nicht der einzige, der sein Wissen für sich behält. Auch Zeugen halten so einige Geheimnisse zurück und der wohlhabende Boone war offenbar längst nicht der Edelmann, als der er galt. In völlig neuem Licht erscheint der eigentlich glasklare Fall plötzlich gar nicht mehr so eindeutig…
Anwalt statt Action
Keanu Reeves ist dem breiten Kinopublikum als Actionstar bekannt, seine Auftritte in „Speed“, „Matrix“ und zuletzt als Profikiller „John Wick“ begründen seinen sehr guten Ruf in diesem Genre. Allerdings wagt Reeves auch immer wieder Ausflüge in andere Stilrichtungen und beschäftigt sich mit geringer budgetierten Projekten. Das kommt nicht immer gut an und wird mit teilweise vernichtender Kritik gestraft – oder schlichtweg ignoriert. Oder hätten Sie auf Anhieb gewusst, dass Reeves im vergangenen Jahr neben The Whole Truth Auftritte in vier weiteren Produktionen, darunter Hauptrollen in „Exposed“ und „The Neon Demon“, absolviert hat? Dabei müssen eigentlich zwangsläufig irgendwann auch schwächere Ergebnisse herausspringen, The Whole Truth allerdings gehört nicht dazu. Zwar merkt man Reeves an, dass ihm auch mit mittlerweile 52 Jahren (die man ihm zugegebenermaßen nicht ansieht) eher die Verkörperung des Actionhelds als des Advokats liegt, schlecht macht er seinen Job allerdings nicht.
Im Gegensatz zu seinen größten Erfolgen tritt Reeves im Justiz-Thriller einfach nur gemächlicher auf, was letztlich natürlich an der Story liegt. Regisseurin Courtney Hunt wickelt den Mordfall im Zentrum der Handlung anhand von Rückblenden und dem genretypisch sich langsam zusammensetzenden Puzzle ab, was zwangsläufig ohne spektakuläre Actionsequenzen auskommt. Wer für derart zähe Justizdramen überhaupt nichts übrig hat, wird vermutlich auch mit The Whole Truth nicht umgestimmt werden. Spannend ist der Thriller aber trotzdem, denn als Zuschauer erfährt man die Details parallel zum Anwalt Ramsay, was der Identifikation und dem Mitfiebern mit dieser Figur logischerweise zuträglich ist. Gleichzeitig werden die Meinungen über die übrigen Charaktere immer wieder einer Neubewertung unterzogen, denn auch bei der möglichen Lösung des Falls gibt es regelmäßige Richtungswechsel. Diese sorgen auch dafür, dass man dann doch relativ schnell und immer wieder daran zweifelt, die Wahrheit erkannt zu haben.
Bekannte Besetzung
Das wiederrum liegt auch daran, dass die Darsteller neben Reeves ihre Aufgabe ebenfalls gekonnt ausführen. Angesichts der Namen nicht unbedingt verwunderlich, schließlich sind hier mit der preisgekrönten Renée Zellweger („Bridget Jones’s Baby“) und dem zumindest in Deutschland eher als komödiantisch veranlagten Jim Belushi („Immer wieder Jim“) ebenso wenig Anfänger am Werk wie im Falle der deutlich jüngeren Darsteller Gabriel Basso („Kings of Summer“) und Gugu Mbatha-Raw („Erschütternde Wahrheit“, „Die Schöne und das Biest“). Eine trotz der vergleichsweise eher geringen Beachtung für The Whole Truth ziemlich hochkarätige Besetzung, die der unübersichtlichen Handlung routiniert begegnen.
Recht entspannt kommt auch das Bild der Blu-ray daher, wenngleich es neben der primär warmen Filterung ein paar Schwächen in Schärfe und Kontrast aufweist. Da sich aber optisch keine großartige Dynamik entwickelt, fällt das nicht weiter negativ auf. Klanglich sind die Herausforderungen noch geringer und dementsprechend gut weiß die Tonspur im Format DTS-HD Master Audio 5.1 problemlos zu überzeugen. Die aufgrund der langsam zusammengesuchten Informationen sehr wichtigen Dialoge kommen gut zur Geltung und auch die Darstellung einer authentischen Atmosphäre gelingt dank vieler subtiler Details und Umgebungsgeräuschen sehr gut. Das Bonusmaterial hingegen fällt sehr knapp aus, hier gibt es lediglich zwei Interviews mit Belushi und Basso sowie den Trailer zu sehen.
Fazit
Mit einem Keanu Reeves auf ungewohntem Terrain entfaltet sich in The Whole Truth ein komplizierter Mordfall, der von der ersten bis zur letzten Minute mit wendungsreicher Story für Spannung sorgt. Die namhafte Besetzung sorgt für eine durchweg authentische Darstellung und ein gelungenes Justizdrama, das erstaunlich wenig Resonanz entfachte – angesichts des involvierten Starpotenzials und für Genrefans nicht nachvollziehbar.
„The Whole Truth“ ist als DVD und Blu-ray im Vertrieb der EuroVideo Medien GmbH erhältlich.
Genre
Thriller
Altersfreigabe
ab 12 Jahren
Laufzeit
ca. 90 Minuten
Regie
Courtney Hunt
Cast
Keanu Reeves, Gabriel Basso, Renée Zellweger, Gugu Mbatha-Raw, James Belushi
85 of 100
80 of 100
90 of 100
85 of 100
60 of 100
84 of 100