Home » Rezensionen » Six – Staffel 1: Die andere Seite der Medaille
29. August 2017von Martin Sowa
RedakteurHeldenhafte Einsätze sind nur ein kleiner Teil ihres Lebens: Die Mitglieder der Navy SEALs um „Rip“ Taggart haben privat mit Problemen zu kämpfen, mit denen sie nicht ansatzweise so gut klarkommen wie mit der Jagd auf Terroristen…
Dschalalabad, 2014: Afghanistan ist seit Jahren vom Krieg und Terror zerrüttet, das US-Militär versucht mühsam, die Zivilbevölkerung zu schützen und einigermaßen für Ordnung zu sorgen. Dabei kommen auch Elite-Soldaten wie das SEAL-Team Six zum Einsatz, um gezielte Missionen gegen Terroristen durchzuführen. Das Quartett aus dem Troop Leader Richard „Rip“ Taggart (Walton Goggins) sowie Joe „Bear“ Graves (Barry Sloane), Ricky „Buddha“ Ortiz (Juan Pablo Raba) und Alex Caulder (Kyle Schmid) ist eine ebenso verschworene wie eingespielte Truppe – bis ein Auftrag im Desaster endet. Rip ertränkt die Erlebnisse des Krieges immer öfter im Alkohol und bei der Jagd nach dem hochrangigen Terroristen Emir Hatim Al-Muttaqi (Jarreth J. Merz) erschießt er unter dem Einfluss seiner zunehmenden Gewaltfantasien einen amerikanischen Zivilisten. Der scheint zwar ein Handlanger des gesuchten Islamisten zu sein, hatte sich jedoch unbewaffnet ergeben. Die Tat hat Folgen: Alex wirft Rip vor, gegen die Prinzipien der SEALs verstoßen zu haben und verweigert Rip deshalb die weitere Folgschaft.
Rip zieht die Konsequenzen und verlässt das Militär, um fortan bei einer privaten Sicherheitsfirma zu arbeiten. Doch die Alkoholsucht bleibt sein ständiger Begleiter und auch die übrigen Mitglieder seines ehemaligen Teams haben im Alltag ihre Probleme. Bear und seine Frau Lena (Brianne Davis) haben ihre Tochter verloren und suchen im Glauben eine Lösung, um ihr Familienglück wieder zu finden. Auch Buddhas Kontakt zu seinen Kindern ist geschwächt und seine Frau Jackie (Nadine Velazquez) hat langsam genug davon, dass Buddha entgegen aller Versprechen immer wieder zu neuen Einsätzen aufbricht. Währenddessen ist der eigentlich zufriedene Lebemann Alex damit konfrontiert, eine uneheliche Tochter zu haben, die plötzlich bei ihm auf der Matte steht.
Während die Männer jeder für sich versuchen, ihr Leben auf die Reihe zu bekommen, wird Rip in Nigeria mitsamt einer Gruppe von Schülerinnen von der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram als Geisel genommen. Der ehemalige SEAL hatte dort den Auftrag, die Mädchen und ihre Lehrerin Na’omi (Nondumiso Tembe) zu schützen. Als der Vorfall durch die Medien geht und auch Rips ehemalige Kameraden daheim erreicht, beschließt die Truppe, sich noch ein letztes Mal zusammenzuraufen, um ihren Troop Leader zu unterstützen. Doch während sie sich auf den Weg nach Afrika machen, tauchen noch weitere alte Bekannte auf…
Die SEAL-Teams werden in Filmen und TV-Serien meist als Ansammlung tödlicher Kampfmaschinen inszeniert, die wie Superhelden immer dann gerufen werden, wenn die Welt wieder einmal am Abgrund steht. Doch von der Öffentlichkeit vielbeachtete Einsätze wie die Operation „Neptune’s Spear“, die 2011 zur Tötung von Osama Bin Laden führte, sind die Ausnahme. Weitaus häufiger agieren die Elitesoldaten im Geheimen und nicht immer enden die Einsätze erfolgreich. Trotz der nötigen mentalen Voraussetzungen sind die SEALs deshalb von privaten Problemen geplagt, sofern sie überhaupt in der Lage sind, abseits der Truppe ein „normales“ Leben zu führen. Genau diesen Aspekt beleuchtet die TV-Serie Six und konzentriert sich vor allem in der ersten Hälfte der Staffel auf die Charaktere der Soldaten und wie sie selbst und teilweise ihre Angehörigen von dieser ganz speziellen Art von Arbeit beeinflusst werden. Später rückt dann wieder die Action mehr in den Mittelpunkt – ein feiner Trick, denn so fiebert man natürlich noch mehr mit den Protagonisten mit.
Obwohl die Figuren in Six allesamt mehr oder weniger schwer wiegende Fehler begangen haben, wird man als Zuschauer nicht umhin kommen, sich irgendwann mit ihnen zu identifizieren – wer das nicht kann, wird logischerweise gar nicht so lange zugucken. Allen voran Walton Goggins („The Hateful 8“) als der traumatisierte Truppenführer Rip kann überzeugen. Erstaunlich dabei ist, dass er gar nicht erste Wahl für die Rolle war, sondern nur für Joe Manganiello („Magic Mike“) einsprang – obwohl Goggins in jeder Hinsicht und vor allem optisch besser zu diesem Part passt. Seine Rolle dient als Synonym für den im Militär erfolgreichen, aber im zivilen Leben heillos überforderten Soldaten, die in keinem Kriegsdrama fehlen darf. Damit ist sie zugegeben kein allzu neues Phänomen, das aber weiterhin nicht seine Wirkung verfehlt.
Wer sich mit dem „Harte Schale, weicher Kern“-Einzelgänger nicht identifizieren kann, findet in seinen Kameraden mit Sicherheit einen Charakter, der dafür besser taugt. Hier verteilt sich das Rampenlicht recht gleichmäßig auf die serienerprobten Kollegen Barry Sloane („Revenge“), Juan Pablo Raba („Narcos“, „Shot Caller“) und Kyle Schmid („Being Human“) sowie die beiden Ehefrauen-Darstellerinnen Brianne Davis („Synchronicity“) als Lena und Nadine Velazquez („Flight“, „Ride Along 2: Next Level Miami“) als Jackie, die allesamt (im Rahmen der vom Drehbuch eingeräumten Freiheiten) überzeugend auftreten. Da fällt es auch nicht allzu negativ ins Gewicht, dass die Rollen der Antagonisten (sprich: Terroristen) sehr seicht und klischeebehaftet angelegt sind – der Titel legt nun mal nahe, um wen es in der Serie Six geht.
Etwas erstaunlicher als das klare Gut-Böse-Schema der Story von Six ist allerdings, dass der Spagat der Soldaten zwischen Militär und Privatleben über die manchmal vielleicht etwas zu patriotische Darstellung in der Handlung selbst hinaus aber nicht thematisiert wird. Das Bonusmaterial liefert auch keine Hintergrund-Featurettes oder ähnliches. Dabei gäbe es hier ja auch einiges anzusprechen, das in der Story aus unterschiedlichsten Gründen nicht verarbeitet werden kann. Möglicherweise ändert sich das in Staffel 2, die für 2018 geplant ist und dementsprechend auch etwas mehr Material für den Bereich Home Entertainment berücksichtigt. Ansonsten ist die Blu-ray qualitativ absolut tadellos, Bild und Ton (DTS-HD Master Audio 5.1 in Deutsch und Englisch) lassen nur selten einmal Wünsche offen. Wer deshalb nach den ersten Folgen nicht aufgrund des persönlichen Geschmacks abschaltet, sollte definitiv genug Zeit einplanen, um dem Impuls folgend den Rest der Serie am Stück ansehen zu können…
Fazit
Mit einem kritischeren Ansatz widmet sich Six nicht plump der Heroisierung der US-amerikanischen Elite-Soldaten, sondern setzt sich vor allem mit den Folgen des modernen Krieges auf eine ursprünglich verschworene Truppe und ihre Mitglieder auseinander. Dass dies im Rahmen einer Unterhaltungsproduktion nicht vollends in eine psychologische Studie ausartet und mit zunehmender Spielzeit wieder gen Action tendiert und Tempo aufnimmt, ist den Mechanismen des Business geschuldet – bis dahin hebt sich Six jedoch sehr wohltuend vom gut gefüllten und homogenen Serien-Markt ab.
„Six – Staffel 1“ ist als DVD und Blu-ray im Vertrieb von Concorde Home Entertainment erhältlich.
Genre
Kriegsdrama/TV-Serie
Altersfreigabe
ab 16 Jahren
Laufzeit
ca. 343 Minuten
Regie
Lesli Linka Glatter, Mikael Salomon, Axel Graves, Clark Johnson, Kimberly Peirce, Peter Werner
Cast
Walton Goggins, Barry Sloane, Juan Pablo Raba, Kyle Schmid, Jarreth J. Merz, Brianne Davis, Nadine Velazquez, Nondumiso Tembe
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