Home » Tests » JBL L100 Classic – HiFi-Spaßmacher und Rockstar im Retro-Design
7. Juli 2019
von Roman Maier
Inhaber/GeschäftsführerDie L100 Classic scheint fast wie mit der Zeitmaschine in die Neuzeit katapultiert. Mattes, gemasertes Holzgehäuse, kastiges Design und Schaumstoffabdeckung in grellen Farben. Was in den 70ern modern war, mag heute polarisieren. Klanglich ist der Retro-Schallwandler aus den USA aber eine beeindruckende Spaßmaschine.
2018 hatte ich meine erste Begegnung mit der L100 Classic. Mein Besuch in der JBL-Vorführung auf der High End in München verwunderte mich zunächst. Ich fragte mich, warum JBL in diesem Jahr alte Lautsprecher ausstellt. Die Neugier war groß, also setzte ich mich erstmal hin und hörte zu. Was ich dann klanglich zu hören bekam, entpuppte sich aber schnell als echtes Brett. Mit einer neuen Mark-Levinson-Kombi angetrieben, spielte das JBL-Duo beeindruckend straff, durchzugsstark, schaffte eine akustisch breite Bühne und löste schön auf. Und sie spielte laut, sehr laut – und zwar ohne nennenswerte Verzerrungen. Natürlich gab es bessere Vorführungen mit mehr Auflösung, Feinheit und Ordnung. Aber ich habe nur wenige Demos besucht, die soviel Spaß gemacht haben, wie die der L100 Classic. Ich war jedenfalls angefixt. Leider konnte meine nachfolgende Frage nach Testmustern aufgrund mangender Verfügbarkeit damals noch nicht positiv beantwortet werden.
Im Mai 2019 dann das gleiche Bild: JBL spielte wieder die L100 Classic. Diesmal wusste ich also, was mich erwartet. Meiner Begeisterung tat dies aber keinen Abbruch. Im Gegenteil, ich war erneut so fasziniert, dass ich gleich einen weiteren Versuch unternahm ein Paar L100 zum Test zu ordern. Diesmal mit mehr Erfolg …
Design mit Hintergrund
Ich musste also lange warten, doch nun steht das JBL endlich in unserem Hörraum. Hier polarisiert sie, wie sonst kaum ein Lautsprecher vor ihr. Die Reaktionen der Kollegen und Besucher könnten kaum weiter auseinander liegen. Den einen gefällt das 70er-Design richtig gut (ich gehöre dazu), andere wiederum können damit so gar nichts anfangen – um es mal nett auszudrücken. Eine Meinung zwischen den Extremen gibt es dagegen nicht.
Wer sich ein bisschen mit HiFi auskennt, erkennt sofort, woher das Design stammt. Dieses ist nicht neu, sondern schlich und ergreifend einer JBL-Modellreihe aus den 70ern nachempfunden. Dazu gehören die L100 Century, die 4310 und auch die legendäre 4312. Kurz gesagt, die L100 Classic ist der visuelle Nachfolger einiger JBL-Meilensteine der goldenen HiFi-Ära. Einer Zeit, als Lautsprecher-Design und -Größe nur eine untergeordnete Rolle spielten. Aber wie gesagt, über Geschmack lässt sich bekanntlich ja nicht streiten.
Walnuss-Echtholz und Quadrex-Foam
In Sachen Verarbeitung gibt es hingegen keine zwei Meinungen. Die L100 ist einfach gestaltet, dafür aber richtig gut gemacht. Zunächst fällt die wertige Walnuss-Oberfläche auf. Der Klopftest beweist: Hier handelt es sich nicht um eine einfache, leere Kiste, sondern um ein wirklich massives Gehäuse. Die Schallwand selbst ist dagegen von einer dunkelgrauen Folie bezogen. Was ebenfalls sofort auffällt: In jeder Ecke der Schallwand stecken kleine Kunststoffelemente. Sie dienen der abnehmbaren Abdeckung als Halter. Die wiederum basiert in der Hauptsache auf einem Holzrahmen, der der Gehäusequalität in nichts nachsteht. Der großzügige Ausschnitt sorgt dafür, dass sich auch wirklich kein Millimeter Holz vor den Chassis befindet. Er wird wiederum von einer, in unserem Fall orangefarbenen, Quadrex-Foam-Schicht bedeckt. Auch die muss man mögen. Wem diese Variante nicht gefällt: Die Abdeckung ist alternativ auch in Schwarz oder Blau zu haben.
Retro-Design und Technik aus dem 21. Jahrhundert
Hinter der Abdeckung sitzt die Technik. Die hat zwar kaum noch was mit den 1970 eingesetzten Chassis der L100 Century zu tun, kommt ihnen optisch aber schon Nahe. Für die Bassreproduktion ist der weiß-membrante 30-Zentimeter-Woofer zuständig. Er thront, wie üblich, im unteren Abteil der verstrebten JBL-Box. Direkt darüber sitzt der 125 Millimeter durchmessende Mitteltöner. Wie der erwähnte Woofer verfügt auch er über ein Zellstoff-Schwingsystem. Dieses ist in beiden Chassis sehr leicht, zugleich aber auch hochfest, was höchste Agilität, Punch und Schnelligkeit erwarten lässt. Im obersten Abteil sitzt dann der Tweeter. 25 Millimeter messend, ist er mit einer Titankalotte bestückt, die mittig in einer sie umgebenden Waveguide platziert wurde. Das hat gleich zwei Vorteile:
Erstens: Der Schall kann ohne große Streuverluste gerichtet geführt werden. Zweitens: Durch die Richtcharakteristik muss weniger Energie aufgebracht werden, um höhere Pegel zu erreichen. Der Hochtöner spielt also lauter, ohne zu früh an seine Grenzen gehen zu müssen. Das passt zu meinen Höreindrücken der beiden High-End-Demos in München.
Die leicht unsymmetrische Platzierung der Chassis ist allerdings eher ungewöhnlich. Ungewöhnlich sind auch die beiden Regler links neben dem Tweeter. Sie dienen der Klangregelung im Hoch- und Mitteltonbereich. Ein cleveres Feature, das die Klanganpassung an die vorgeschalteten Mitspieler, den Raum oder den eigenen Hörgeschmack erlaubt.
Geneigt und ausgerichtet
Nach der optischen Begutachtung stellt sich noch die Frage, wo man die Box idealerweise hinstellt. Auf den Boden, auf das Sideboard? Beides Nein! Für die bestmögliche Klangperformance sollte die Box auf keinen Fall auf den Boden gestellt werden. Und aus optischer Sicht steht sie idealerweise auch nicht auf dem Low- oder Sideboard. Die Lösung für das Aufstellungsproblem hat uns JBL in Form eines Pärchens Metallständer gleich mitgeliefert. 19 Zentimeter hoch und leicht nach hinten geneigt stellen sie der L100 Classic die perfekte Basis. Zum Lieferumfang gehören die Stands allerdings nicht und müssen zum Paarpreis von rund 370 Euro optional erworben werden.
Mein Tipp: Wenn Sie sich ersthaft für diesen Lautsprecher interessieren, verwenden Sie auch unbedingt besagte Ständer!
Erst die Feinarbeit
Der optischen Untersuchung folgt dann die obligatorische Einspielzeit. Ist diese abgeschlossen, beginnt endlich der schönste Teil des Checkups: Der Hörtest. Bevor aber die ersten Töne erklingen, empfiehlt es sich – beginnend mit der Ausrichtung der Lautsprecher – die Vorraussetzungen für den bestmöglichen Klang zu schaffen.
Ein Punkt, der leider immer wieder unterschätzt wird. Vorausgesetzt man nimmt sich etwas Zeit und Muße, kann die korrekte Ausrichtung aber dafür sorgen, dass die neuen Lautsprecher gleich mal eine Klasse besser aufspielen, als zunächst erwartet. Angst müssen Sie vor diesem Schritt ganz sicher nicht haben. Dieser Vorgang ist recht einfach durchzuführen und macht sogar Spaß, sobald sich erste Erfolge einstellen.
Wenn möglich, stellen Sie die beiden Lautsprecher zunächst im identischen Abstand zum Hörplatz auf. Anschliessend richten Sie sie die L100 Classic auf diesen aus. Die Boxen „schauen“ dem Hörer nun direkt ins Gesicht. Drehen Sie die Lautsprecher anschließend in kleinen Zentimeterschritten nach aussen, ohne dabei den Abstand zum Hörplatz zu verändern. Die korrekte Position ist gefunden, sobald der Klang nicht mehr direkt aus den Boxen zu kommen, sondern offenbar mitten im Raum zu stehen scheint. In meinem Test war die ideale Positionierung gefunden, in dem ich die Lautsprecher nur wenige Zentimeter von der Ursprungsposition nach aussen gewinkelt habe.
Nicht minder wichtig ist ein jederzeit fester Stand der Lautsprecher. Dazu liegen den erwähnten Standfüßen gummierte Füßchen bei. Diese werden einfach in die dafür vorgesehenen Gewinde gedreht und schon steht die JBL sowohl auf Teppich wie auch auf Stein- und Holzböden fest. Das Einschrauben stellte sich bei einem Standfuß in meinem Test allerdings als Herausforderung dar, da die Gewinde offenbar nicht ausreichend geschnitten waren. Nachdem ich den Füßchen dann mit einer Zange zu Leibe rückte, war diese Schwierigkeit aber schnell behoben.
Lehrbuch-Bass & Impulsstärke
Die Wahl meines ersten Teststückes ist dann vorangegangenen Einspielphase geschuldet. „These Days“ von Ane Brun rotiert im Player und sorgt vom ersten Ton für reichlich Durchzug und Volumen. Trotz des noch relativ geringem Pegels agiert die L100 Classic sofort druckvoll, satt und erstaunlich knackig. Dass die Einwinklung der Lautsprecher richtig gewählt ist, beweist die Raumabbildung. Die norwegische Künstlerin erscheint akustisch mittig zwischen den JBLs. Links dahinter die mächtige Trommel, rechts die Sythies. Die Stimme: Geheimnisvoll und mystisch. Allerdings in der Stimmfarbe nicht ganz korrekt, dafür aber von den Schallwandlern losgelöst, dynamisch und ohne jegliche Schärfe im Hochtonbereich. Was noch wichtiger ist: Der Sound ist vollmundig, groß aber nicht überbordend und macht vom ersten Moment an Spaß! Dafür zeichnen in erster Linie die Schnelligkeit und das Temperament der Vintage-Box verantwortlich.
Gute Gründe also, den Test mit „Rinzler“ aus dem „Tron Legacy“-Soundtrack fortzuführen. Ein Song, der einen aufgrund seines Volumens und seiner enormen Energie sofort einnimmt und packt. Die erwartete Energie dann strömt nur wenige Augenblicke nach Betätigung der Play-Taste in den Hörraum. Dazu Volumen, Volumen, Volumen. Die Antwort der L100 Classic: „Kann ich, kann ich, kann ich“! Der Raum ist mit Bass gefüllt, die Lautstärke inzwischen weit oberhalb der Zimmerlautstärke. Dazu jede Menge Druck, der aufgrund der hier eingesetzten Tieftöner auch erstaunlich mächtig am Ohr ankommt. Dabei fällt mir auch hier auf: Die JBL ist kein Feingeist. Im Hochton ist sie nun etwas vorwitzig, was über die Klangregelung aber schnell angepasst werden kann.
Jede Menge Spaß mit der L100 Classic
Und nochwas: Die JBLs steigen nicht in die allertiefsten Bassgefilde ab, hämmern die geforderten Grundton-Beats aber mit einer solchen Energie in den Hörraum, dass diese sich vorsichtshalber auch gleich noch in der Magengegend bemerkbar machen. Jetzt wird klar: Das wird wieder eine dieser Hörsessions, die mit der Niederschrift und Veröffentlichung des Testartikels noch lange nicht beendet sind.
Aufgrund ihres gar nicht mal so geringen Volumens und der massiven Bestückung war eine imposante Pegelleistung erwartbar. Die fast schon unbändige Energie überrascht mich aber doch. Das gilt im gleichen Maße für die Durchzugskraft der L100 Classic. Selbst vor großen Verstärkern – wie dem in meinem Test eingesetzten Audio Research GSi75 – geht die Drei-Wege-Box nicht in die Knie, wenn dieser mal die Muskeln spielen lässt. Im Gegenteil, denn besagtes Muskelspiel beherrscht das JBL-Duo selbst aus dem Effeff. Eine weitere Kostprobe davon erfahre ich im anschließend gespielten „Something About Us“ von Daft Punk. Zunächst fällt mir die Hochtonpräsenz auf. Als nach knapp 20 Sekunden aber die ersten punchigen Drums einsetzen, geht es so richtig ab. Knack und Drahtigkeit bestimmen erneut den Sound. Eine Atmosphäre, die gleich ins Blut geht und mich zu einem kräftigen Dreh am Lautstärkesteller animiert. Gedacht, getan. Das Ergebnis: Laut, sehr laut! Und überraschend verzerrungsarm. Feine wie grobe Abstufungen in Sachen Lautstärke ziehen hier weder Änderungen der Dynamik noch in der Spielfreude nach sich. Selbst die immer wieder wechselnden Tempi, in diesem Song wie im anschließend gewählten „Harder, Better, Faster, Stronger“ werden im Grund- und Bassbereich einfach nur sauber reproduziert. Genial, so geht die enorme Dynamik der gewählten Stücke niemals verloren, sondern wird wie vom Künstler gewollt und in vollem Umfang in den Vordergrund gestellt. Und Spaß macht das Ganze nebenbei auch so richtig!
In der Ruhe liegt die Kraft
Was Freunde rockiger, massiver Sounds freuen wird: Die L100 schiebt mit einer beeindruckenden Vehemenz, ist vital und strotzt nur so vor Entschiedenheit und Dynamik. Schnelligkeit, Agilität und Druck sind hier eindeutig die Attribute, die aus dem bloßen CD-Hören ein mitreissendes Musik-Erlebnis werden lassen. Völlig egal, ob harte Gitarrenriffs, Bassdrums oder Stimmen, jede Einzelheit trägt hier ihren Beitrag zu einer Gesamtdarstellung, die fasziniert, elektrisiert und einfach zum „Mitrocken“ animiert. Bei allem Engagement fällt aber auch die ungeheure Souveränität auf, mit der die L100 Classic selbst richtig fett abgemischte Songs reproduziert. Und das, ohne dabei auch nur im geringsten profan anzumachen oder zu nerven. Im Gegenteil, dem JBL-Duo gelingt es perfekt Feuer und Gelassenheit miteinander zu kombinieren. Und zwar ohne dabei langweilig, gehetzt oder gar übertrieben zu wirken.
Fazit
Das Retro-Design der L100 Classic polarisiert. Wer auf Retro-Design steht, der findet in der JBL einen imposanten Schallwandler, der aufgrund seiner schier unbändigen Spielfreude und Temperament sofort anmacht. Die L100 Classic steht optisch wie klanglich sofort im Mittelpunkt, neigt er aber niemals zur Übertreibung. Ein Feingeist oder Schönspieler ist sie nicht und sie macht beileibe auch nicht alles richtig. Aber sie macht Spaß! Wer nach einem spielfreudigen, agilen und über die Maßen leistungsfähigen Schallwandler sucht, der einen die Musik ins Blut übergehen lassen und einen so richtig ins Sofa drücken soll, der sollte sich diesen Lautsprecher unbedingt mal anhören.
Test & Text: Roman Maier
Fotos: Philipp Thielen
Klasse: Spitzenklasse
Preis-/Leistung: gut - sehr gut
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Technische Daten
Modell: | JBL L100 Classic |
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Produktkategorie: | Standlautsprecher |
Preis: | 4.200,00 Euro / Paar |
Ausführung: | - Walnuss Abdeckung: - Orange - Schwarz - Blau |
Vertrieb: | Harman Luxury Group www.jblsynthesis.com |
Abmessungen (HBT): | 636 x 390 x 371 mm |
Gewicht: | 26,7 kg / Stück |
Bauart: | Drei-Wege, Bassreflex |
Hochtöner: | 25 mm |
Mitteltöner: | 125 mm |
Tieftöner: | 300 mm |
Frequenzbereich: | 40 Hz - 40 kHz (Herstellerangabe) |
Übergangsfrequenzen: | 450/3.500 Hz (Herstellerangabe) |
Lieferumfang: | - L100 Classic - Abdeckungen (Quadrex-Foam) - Lautsprecher-Ständer optional (um 370 Euro) |
Pros und Contras: | + Klangregelung + sehr gute Verarbeitung + hohe Grundtonagilität + realistische Raumdarstellung + Retro-Design + hohe Agilität + enorme Impulskraft - leicht verfärbte Klangfarben |
Benotung: | |
Klang (60%): | 92/95 |
Praxis (20%): | 93/95 |
Ausstattung (20%): | 94/95 |
Gesamtnote: | 93/94 |
Klasse: | Spitzenklasse |
Preis-/Leistung | gut - sehr gut |