Home » Tests » Verstärker Hegel H390 – High End in Robin-Hood-Manier
26. Juli 2019von Volker Frech
RedakteurExzellenter Klang zum attraktiven Preis: Mit diesem Ziel schließt der neue Hegel H390 die Portfolio-Lücke hinter dem Referenz-Verstärker H590 – und hat deshalb viele Features dieses Flaggschiffs an Bord: amtliche Analogeingänge, zahlreiche Digitalschnittstellen, aktualisierter Streamer für LAN, AirPlay und Spotify Connect, nagelneuer DAC, so dass nun Hires-Files bis PCM 384 Kilohertz /32Bit, DSD256 und MQA 8X möglich sind – und natürlich Hegels berühmte SoundEngine in der neuesten Version. Und was ist nun mit Robin Hood?
Die Hegel-Crew hat Humor und einen Hang zu Spitznamen: Ihren CD-Spieler nennen sie Mohican, weil er womöglich der letzte seiner Art ist, ihren Referenz-Verstärker taufen sie ob seiner Kraft „The Beast“ – und weil viel Technik dieses Referenz-Amps nun in den neuen, aber deutlich weniger kostenden Verstärker H390 eingeflossen ist, läuft der bei Hegel unter den Namen „Baby-H590“ oder, noch besser, „Robin Hood“: Schließlich nehme der H390 quasi vom Reichen und gebe es den etwas weniger Betuchten. O.k. … Wir haben eine ungefähre Vorstellung, wie diese Idee zustande gekommen sein könnte. Aber jetzt schauen wir uns mal an, was dem H390 denn so alles mitgegeben wurde.
Nordische Noblesse
Rein optisch ist der H390 im markanten Hegel-Design gehalten, das uns schon bei den von uns bereits getesteten Verstärkern Hegel Röst, dem H190 und dem H590 sehr gefallen hat: Eine nordische Kombination aus Noblesse, Reduziertheit und Funktionalität. Für die Markanz sorgt zuallererst die sanft geschwungene, massive Stirnseite. Sie ist das Kennzeichen aller Hegel-Produkte. Im Verbund mit dem zentralen Display und den beiden flankierenden großen Stellrädern für die Quellen- und Lautstärkewahl haben wir dann das unverwechselbare Design aller Hegel Vollverstärker. Mehr braucht es nicht für den Wiedererkennungswert – und mehr gibt es nicht zur Nahbedienung des Geräts. Mit diesem Minimalismus passt der Hegel H390 perfekt in nüchtern-modern eingerichtete Wohnräume, der exklusiv in Schwarz erhältliche Verstärker harmoniert durch sein dezentes Design aber ebenso mit anderen Einrichtungsszenarien. Die geschwungene Front sorgt dafür, dass der H390 mit den Maßen 15 mal 43 mal 38 Zentimetern zwar durchaus Platz fordert, aber nicht wuchtig erscheint. Dazu tragen auch die hohen Standfüße bei, die den Verstärker scheinbar schweben lassen. Sie ermöglichen zudem eine gute Luftzufuhr – und die optisch versteckte Platzierung des An/Aus-Schalters auf der Unterseite des Verstärkers. Das ist ebenfalls Hegel-typisch. Der Hegel ist auch auf der Waage imposant: knapp zwanzig Kilo Gewicht zeugen davon, dass hier viel Qualität mit hoher Fertigungsgüte verbaut worden ist. Das merkt man auch beim Betätigen der beiden Stellräder: Die massiven Metallrondelle offenbaren beim Drehen eine wunderbare Gängigkeit. Zwischen den Drehgebern sitzt zentral das OLED-Display, es löst das gröbere blaue LED-Display des Vorgängers ab – ja, der 390 ist offiziell der Nachfolger des H360, auch wenn er sich technisch weit von seinem Vorgänger entfernt hat, dazu später mehr. Die neue Anzeige macht den H390 sofort als aktuelles Modell erkennbar: Wie bei seinen Serienkollegen informiert uns der Amp nun in strahlendem Weiß auf sattem Schwarz über den momentanen Betriebszustand, die angezeigten Zahlen, Buchstaben und Symbole sind Dank der vielen Leuchtpunkte gestochen scharf. So zeigt er auf einen Blick die Lautstärke, die File-Qualität und den aktuell verwendeten Eingang – und damit sind wir bei der Konnektivität.
Die Analog-Sektion
Beginnen wir analog: Hier bietet der H390 einen symmetrische Eingang in Form von zwei XLR-Buchsen. Die symmetrische Signalführung ist die hochwertigste Art der Audio-Übermittlung und deshalb im Studiobereich Standard, im HiFi-Bereich jedoch nur bei sehr hochwertigen Komponenten zu finden. Darum bietet der H390 zusätzlich zwei unsymmetrische Eingänge in Gestalt von vier Cinch-Buchsen. Sie lassen sich – wie auch die digitalen Schnittstellen – über die mitgelieferten Fernbedienung umprogrammieren. Statt der normalen Einstellung mit variabler Lautstärke gibt es als Alternative einen Home Theater-Modus. Dann setzt der H390 das Signal bei den ausgewählten Eingängen auf einen festen hohen Pegel, und nun geschieht die Lautstärkeregelung einzig über den vorgeschalteten Receiver. Auf diese Weise lässt sich der H390 in eine Heimkino-Anlage integrieren – oder er wird Bestandteil eines bereits vorhandenen Multiroom-Systems mit eigener App-Steuerung, wie zum Beispiel Bluesound oder Sonos (hier zeigt Hegel in einem Video, wie es geht). Die Analogsektion wird durch zwei Ausgänge fortgesetzt. Der eine besitzt einen festen Line-Level und eignet sich damit etwa für ein Tapedeck. Der andere hat hingegen einen variablen Line-Level. so lässt sich beispielsweise ein Subwoofer ansteuern. Jetzt folgen zum Abschluss die Lautsprecher-Ausgänge: Sie sind mit amtlichen Klemmen realisiert und erlauben den Anschluss zweier Boxen, Bi-Amping oder der Betrieb eines zweiten Lautsprecherpaares ist also nicht möglich.
Digitale Schnittstellen vom Flaggschiff
Nun zu der digitalen Anschlusssektion: Sie sieht aus, als stamme sie vom Flaggschiff der Serie, dem H590 – und so ist es auch. Wie beim großen Bruder finden wir hier eine üppige Ausstattung mit fünf S/PDIF-Schnittstellen: drei optische TOSLink-Eingänge, einen elektrisch/koaxialen Cinch-Input und einen ebenfalls koaxialen BNC-Input. Die BNC-Stecker und -Buchsen sind wegen der hohen Qualität in der Messtechnik und im Studiobereich gern gesehen, im HiFi-Bereich hingegen ziemlich rar – aber bei High End- Geräten sind sie durchaus zu finden. Alle fünf S/PDIF-Schnittstellen akzeptieren PCM-Signale bis 192 kHz/24 Bit, also HiRes-Musikfiles. Überdies – und hier übertrifft der H390 sogar den Referenzverstärker – können sämtliche S/PDIF-Schnittstellen auch DSD64 über das DoP-Verfahren (also DSD over PCM) und MQA-Files wiedergeben. Die höchsten File-Güten sind aber dem nun folgenden USB B-Port vorbehalten. Über diese Schnittstelle speist man seine Musik vom Computer ein, wobei der Hegel H390 dann den Job der Soundkarte übernimmt und den Computer zum File-Lieferanten degradiert. Richtig so, denn Laptop und Co. sind zumeist mit einer mittelmäßigen Allzweck-Soundkarte ausgestattet, während der H390 hier der Audio-Spezialist ist. Er profitiert ebenfalls von einer DAC-Sektion, dem Referenzverstärker H590 entlehnt ist. So kann der H390 über USB hochauflösende Files bis PCM 384 Kilohertz/32 Bit verarbeiten, DSD geht hier bis DSD256, MQA bis zur Güte MQA 8X (352.8kHz/384kHz) – das ist insbesondere für alle Tidal-Benutzer interessant, weil dieser Streamingdienst MQA als Format integriert hat. Insgesamt sind das sehr hohe Standards, mit ihnen erweist sich der Hegel H390 als absolut zukunftsfest. Geht digital auch etwas raus? Ja: Der H390 bietet einen BNC Out: Er ist für alle interessant, die den Verstärker lieber mit einem externen DAC betreiben möchten.
Streaming per LAN und AirPlay …
Zu den digitalen Schnittstellen kommen nun noch die Streaming-Möglichkeiten. Über die LAN-Buchse bekommt der H390 Kontakt zum heimischen Netzwerk. Dann kann er als sogenannter Renderer alle Files wiedergeben, die auf dem vernetzten Computer oder einem ebenfalls im Netzwerk integrierten NAS-Server abgelegt sind. Neben diesem UPnP Streaming per LAN geht es auch ohne Kabel: Zum einen über Apple AirPlay, hier kommuniziert der Verstärker mit allen AirPlay-fähigen Geräten bis hin zu Apple TV. All diese Geräte erkennen den H390 auch sofort. Durch die Mfi-Zertifizierung (Made for iPod/iPhone/iPad) kann man iPhone und Co. als sogenannte „Control Points“ verwenden, also als Steuerung, um Musik vom Server zu wählen und vom H390 als Renderer wiedergeben zu lassen. Mit entsprechenden (kostenpflichtigen) Abonnements spielt man so auch die Songs von seiner Cloud oder von den angesagten Musik-Streaming-Diensten.
… sowie Spotify Connect und roon
Als dritte Streaming-Möglichkeit besitzt der H390 die beliebte und verbreitete Schnittstelle Spotify connect. Zudem ist der Verstärker roon ready und damit als roon endpoint einsetzbar. Mit einem (kostenpflichtigen) roon-Account und einem roon Core (das ist der Rechner, auf dem die roon-Software installiert ist) kann man den H390 mit dieser hervorragenden Musikmanagement-Software betreiben, über sie ist der Verstärker auch in der Lautstärke steuerbar. Das geht allerdings nur kabelgebunden über die USB-Verbindung (hier zeigt Hegel in einem Video, wie es geht).
Mit dieser Einstellung lässt sich der H390 übrigens mit allen relevanten Mediaplayern betreiben, auch mit Audirvana+, einem der besten audiophilen Player für HiRes-Files. Zur Netzwerkeinbindung des H390 gehört neben dem Audio-Bereich auch die Logistik: Auf dem Amp ist die Software für das Hausautomatisierungssystem Control4 vorinstalliert, damit kann der Amp auch in eine derartige Heimvernetzung integriert werden.
Musikmaschine für den Reinklang: SoundEngine2
Während die Digitalsektion inklusive DAC vom H590 abstammt, basiert die Analog-Abteilung deutlich auf dem Vorgänger H360, sie wurde allerdings aufgerüstet und aktualisiert. Leistungsmäßig hat sich nichts verändert, nach wie vor liefert der Amp 250 Watt pro Kanal, wobei die Verstärker für jede Seite als strikte Mono-Blöcke agieren. Hier kommt es aber auf das Wie an: Der H390 ist mit der neuen Generation der berühmten SoundEngine ausgestattet. Diese Schaltungsspezialität gehört zur Verstärker-DNA von Hegel. Sie kombiniert die Meriten des Class-A-Verstärkungsprinzips mit den Vorzügen der Class-AB-Verstärkung: große Signaltreu, hoher Wirkungsgrad, geringste Verzerrungen- sogar kleinste Restverzerrungen soll die SoundEngine vermeiden können. Dafür kommt eine spezielle Variante der sogenannten Gegenkopplung zum Einsatz: Bei einer Verstärkerstufe wird ein Teil des amplifizierten Ausgangssignals wieder an den Eingang zurückgeführt. Dies dient der Signalregelung. So wird erreicht, dass eine Verstärkerstufe, also ein Operationsverstärker, in ihrem optimalen Arbeitsbereich agiert. Dies vermindert die Verzerrungen, doch das zur Regelung rückgeführte Musiksignal kann durch den Verstärkungsvorgang kleine Unsauberkeiten aufweisen, sie werden bei der Wiedereinspeisung in die Verstärkerstufe dann gleich noch einmal verstärkt. Diese kleinen Verzerrungen werden durch die Kette von Verstärkerstufen dann regelrecht potenziert. Diesen unerwünschten Effekt verhindert die SoundEngine, indem das Musiksignal gleich zum Ende der Verstärkerschaltung geführt wird und letztlich hier die Signalregelung stattfindet. So verrichtet die gesamte Verstärkerschaltung ihr Amplifizierungswerk verzerrungsärmer und wirkt trotzdem stabil im optimalen Arbeitsbereich.
Aufstellung, Einrichtung, Bedienung
Auch im optimalen Arbeitsbereich wird ein Verstärker warm, deshalb hat der Hegel H390 diverse Lüftungsschlitze, und demgemäß sollte man dem Gerät rundherum etwas Platz für die Luftzufuhr gönnen. Nach hinten benötigt man sowieso noch etwas Raum, um die Signal- und Lautsprecherkabel anschließen zu können. Letztere finden an den Klemmen des Verstärkers Kontakt in allen gängigen Varianten: mit Gabelschuhen, mit Banana-Steckern und auch als blanke Litze. Die Aufnahmen der Klemmen sind so dimensioniert, dass auch große Kabelquerschnitte eingeführt werden können. Nach dem Verkabeln kommt der Griff nach unten – zum großen, viereckigen An/Aus-Schalter. Der Amp gibt sich einigen Sekunden, bis er betriebsbereit ist, dann werden die Ausgänge zu den Boxen mit einem Klacken der Relais freigeschaltet. Diese Einschaltverzögerung erspart den Lautsprechern und unseren Ohren die unangenehmen Plopp-Geräusche die jeder Verstärker aufgrund des Einschaltstroms absondert. Sehr gut!. Der Hegel H390 startet immer mit der zuletzt betriebenen Quelle, aber stets mit der gleichen Lautstärke. Der Startpegel kann aber nach Belieben zwischen 0 und 99 eingestellt werden. Das erledigt man mit dem mitgelieferten Infrarot-Ferngeber aus Vollmetall, mit ihm nimmt man alle Grundeinstellungen und Bedienbefehle vor. Die Anordnung der Tasten dürfte hier gern etwas übersichtlicher sein, auch ein Taster für jede Quelle statt zweier Taster zum Durchsteppen aller Inputs wäre ein Komfort-Plus. Zur Nutzung der Streaming-Möglichkeiten brauchen wir nun noch eine Software für das Smartphone oder das Tablet. Hegel verzichtet clevererweise auf eine korrektur- und ärgerintensive Eigenlösung und hält seine Produkte lieber offen für verschiedene ausgereifte und frei verfügbare Apps – etwa die Linn Kinsky-App für iOS oder Bubble UPnP für Android. Da der H390 allerdings roon ready ist, wählen wir gerne dieses überaus komfortable Musikmanagement. Dafür adeln wir unser Laptop zum roon core, indem wir hier die entsprechende Software von der roon-Homepage herunterladen und installieren. Dann sagen wir roon, wo im LAN der Speicher unserer Musik ist. Mit ihr wird nun unsere roon-Bibliothek bestückt – und weil der Indizierungsvorgang doch etwas dauert, holen wir uns inzwischen aus dem Applikationsbüdchen die roon-App, um die Musikauswahl und das Soundmanagement von unserer Tablet aus vornehmen zu können. Hier kann man nun zusätzlich auch seine abonnierten Musikdienste einbinden – und schon geht der Musikspaß los!
Der Hegel 390 in der Praxis
Um die Qualitäten des Hegel H390 würdigen zu können, kommt uns das Paar Focal Utopia EVO, das in unserem Hörraum steht, gerade recht. Und noch besser: Wir haben den Hegel H360, also den Vorgänger des H390, als Redaktionsverstärker in petto. So bleibt uns kein Detail und keine Differenz verborgen. Wir fangen mit etwas Vertrautem an, von unserem Oppo UDP-203 als CD-Zuspieler gehen wir analog in den H390 und wählen „Bridge Over Troubled Water“, eine hervorragend produzierte Live-Aufnahme aus dem „Blues Alley“. In diesen legendären Washingtoner Club haben Eva Cassidy und ihre Combo ihre tolle Version des Klassikers gespielt. Als erstes fällt uns die herausragende Reinheit und Klarheit der Wiedergabe auf. Die E-Gitarre eröffnet den Song mit einem wunderschön gezupften Intro, der Klang der Gitarre ist herrlich silbrig, ein sahniger Chorus-Effekt sorgt für eine einschmeichelnde Weichheit der Akkorde. Wir können hören, dass Gitarrist Keith Grimes auf einer Fender Statocaster spielt und hier den vorderen Tonabnehmer benutzt – bei einer so präzisen, detailreichen Wiedergabe benötigt man keine Augen, um das musikalische Geschehen fast synästhetisch miterleben zu können, und weil wir jedes kleine Anschlaggeräusch und jedes Rutschen der Finger auf den Stahlsaiten hören, können wir förmlich sehen, wie Grimes mit der linken Hand über den Gitarrenhals wandert und mit dem Plektrum in seiner rechten Hand die Saiten zupft. Der Gitarrenverstärker , über den er spielt, liefert ein ordentliches Rauschen, auch das ist auf der Aufnahme verewigt – aber ebenso die Hintergrundgeräusche im Saal sind eingefangen: Ein leichtes Gläserklirren ist zu hören, auch jener unterschwellige Geräuschteppich, der unserem Ohr die Infos über den uns umgebenden Raum vermittelt. Schon das reicht, um uns in die Atmosphäre des „Blues Alley“ zu ziehen, wir sitzen sofort mitten im Club. Und vor uns setzt nun Eva Cassidy ein, die amerikanische Sängerin legt soviel Gefühl in ihre angenehme Stimme, dass wir sofort den Kopf heben und unsere Augen dahin richten, wo akustisch die Sängerin steht. Das ist eine herausragende plastische Abbildung! Dieses holografische Erlebnis setzt sich mit dem Einstieg der Band fort: Ein herrlich volltönender, tragender Bass liefert das amtliche Fundament, ein dezentes, aber trotzdem mit jedem kleinen Beckenschlag präsentes Schlagzeug liefert dahinter positioniert den Takt. Nach nicht einmal einer Minute ist uns klar, dass hier eine superbe Klangkette in unserem Hörraum spielt.
Exzellent und exzellenter: H360 und H390 im Vergleich
Das zeigt sich, als wir vom H390 zum H360 wechseln: Schon auf dem Weg der analogen Zuspielung merken wir, dass der Vorgänger nicht die gleiche lässige Kraft beim Bass erreicht, dabei bietet der H390 nominell nicht mehr Leistung. Auch in punkto Transparenz und Stimmigkeit hat der H390 die Nase vorn. Noch deutlicher sind die Unterschiede, wenn wir den Song digital via TosLink zuspielen. Die Wiedergabe mit dem H390 erreicht schlicht eine größere Präzision und damit ein besseres Timing. Das macht das Zuhören noch entspannter, weil die Musik wie selbstverständlich klingt, auch in lauten Passagen – schließlich steigert sich Eva Cassidy mit Inbrunst in diesen Song hinein, und ihre Begleitband geht dabei bis ins Fortissimo mit. Trotzdem haben wir immer das Gefühl: Ja, so ist es genau richtig, so hört sich eine Band an, die auf den Höhepunkt des Songs zusteuert! Das ist mitreißend, weil der H390 die Dynamik im Feinen wie im Groben meisterhaft beherrscht und uns diese Steigerung und Intensivierung livehaftig erleben lässt. Trotz des schließlich überaus satten Pegels ist der Klang niemals unangenehm. Wie laut es ist, merken wir, als wir mal kurz den Hörraum verlassen. Der Wechsel zum H360 zeigt, dass sich der Unterschied noch markanter als im analogen Vergleich zeigt. Die Griffigkeit ist nicht die gleiche, auch der Tiefton ist in punkto Druck und Definiertheit etwas schwächer, ebenso erfährt die unglaubliche Detailabbildung, die etwa der filigranen Becken- und Hi-Hat-Arbeit von Drummer Raice McLeod zugute kommt, nun kleine Abstriche. Jaja, das ist wirklich Jammern auf High End-Niveau – aber wir sind hier ja in der glücklichen Lage, zwischen exzellent und exzellenter wählen zu können. Der H390 beweist hierbei, dass Hegel ihn nicht umsonst „Mini-H590“ und „Robin Hood“ nennt.
Überwältigendes Klangerlebnis
Nun reizen wir doch die HiRes-Fähigkeiten des H390 mal aus: Wir wählen das Largo aus dem Winter der „Vier Jahreszeiten“ von Antoni Vivaldi in der elffach ausgezeichneten Interpretation von Rachel Podger und dem Ensemble Brecon Baroque: Die 2017 entstandene Einspielung wurde mit zehn Musikpreisen geehrt, das elfte „ausgezeichnet“ gilt der Produktion: Klanglich ist diese von Channel Classics/NativeDSD in DSD512 herausgegebene Aufnahme atemberaubend – auch wenn sie in Wahrheit doch „nur“ mit DSD256 produziert worden ist, was der Sache keinen Abbruch tut: In solch einer Durchsichtigkeit haben wir ein Orchester noch nicht gehört! Gut, es ist ein kleines Barockensemble, nicht zu vergleichen mit einem personalsatten klassisch-romantischen Klangkörper. Trotzdem: Die Transparenz ist sagenhaf!. Wir nehmen wirklich jeden Musiker wahr und wissen, wo er sitzt. Wir registrieren selbst die leichten tonalen Abweichungen nebeneinandersitzender Geigen und auch die kleinsten individuellen Ungenauigkeiten, die normalerweise im Großen und Ganzen des Orchestersounds verschwinden. Statt dessen hören von jedem einzelnen Instrument, von der Violine bis zur Theorbe, den individuellen Beitrag zum Gesamtklang. Das reicht bis zum Pizzicato-Saitenzupfen der ersten Geigen und den dagegengesetzten Staccati der zweiten Geigen. Diese phänomenale räumliche Abbildung geht einher mit einer unübertroffenen Reinheit der Wiedergabe: Alles, was man hört, gehört zu diesem Moment der Musik und ihrer Interpreten. Dies erzeugt eine verblüffende Unmittelbarkeit und Direktheit, die auch durch die unglaublich feine dynamische Abstufung ihre Wirkung entfaltet. Wir haben uns dieses File sicher zehn mal angehört, allein, weil der Klangeindruck so überwältigend ist. In dieser HiRes-Auflösung, in dieser Aufnahmegüte und in dieser Wiedergabequalität ist die Musik schlicht eine Offenbarung.
Fazit
Exzellenter Klang zum attraktiven Preis – dieses Ziel hat Hegel mit dem H390 erreicht. Dabei macht der Verstärker auch seinen beiden Spitznamen „Robin Hood“ und „Baby-590“ alle Ehre. Kein Wunder, denn viele Features und insbesondere die Digitalsektion gehen auf diesen Referenz-Amp zurück. So bietet der H390 ebenfalls amtliche (wenn auch weniger) Analogeingänge, zahlreiche Digitalschnittstellen, einen neuen Streamer für LAN, AirPlay und Spotify Connect – und nicht zuletzt einen exzellenten DAC, so dass Hires-Files bis PCM 384 Kilohertz /32Bit, DSD256 und MQA 8X möglich sind. Damit hebt sich der H390 deutlich vom nominellen Vorgänger H360 ab, zumal der H390 mit der SoundEngine 2 ausgestattet ist, der aktuellen Version der patentierten hegelschen Verstärkerschaltung. Damit ist der H390 ein High End-Tipp: Wer die Kosten für den Referenz-Amp H590 scheut, hat mit dem deutlich günstigeren H390 einen Verstärker, der dem Flaggschiff auf den Fersen ist.
Test & Text: Volker Frech
Fotos:Philipp Thielen
Klasse: Referenzklasse
Preis-/Leistung: gut
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Technische Daten
Modell: | Hegel H390 |
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Produktkategorie: | Stereo-Vollverstärker, streaming- und netzwerkfähig |
Preis: | 5.900,00 Euro |
Garantie: | 2 Jahre |
Ausführungen: | Schwarz |
Vertrieb: | GP Acoustics, Essen Tel.: +49 201 / 170390 www.hegel.com |
Abmessungen (HBT): | 150 x 430 x 380 mm |
Gewicht: | 19,5 kg |
Leistung: | 2 x 250 W / 8 Ohm (Herstellerangabe) |
Unterstützte Audo-Formate: | PCM (WAV/AIFF), FLAC, ALAC, Ogg, MP3, DSD (DoP), MQA |
Maximale Samplingrate/ Auflösung | - PCM: 384 kHz/32 Bit (USB) bzw. 192 kHz/24 Bit (S/PDIF, Ethernet) - DSD: DSD 256 DoP (USB), bzw. DSD64 (S/PDIF, Ethernet) - MQA: MQA 8X (352,8 kHz/384 kHz) (USB) |
Eingänge analog: | 1 x Line symmetrisch (XLR) 2 x Line unsymmetrisch (Cinch) |
Eingänge digital: | 1 x AirPlay 2 1 x Spotyfy Connect 1 x LAN/Ethernet (RJ45) 1 x S/PDIF elektrisch/koaxial (BNC) 1 x S/PDIF elektrisch (Cinch) 3 x S/PDIF optisch (TOSLink) 1 x USB (Typ B) |
Ausgänge analog: | 1 x Line mit variablem Pegel (Cinch) 1 x Line mit fixem Pegel (Cinch) 1 x Lautsprecher |
Ausgänge digital: | 1 x S/PDIF koaxial (BNC) |
Lieferumfang: | - Hegel H390 - Fernbedienung RC8 - 2 Batterien (AAA) - Netzkabel - Bedienungsanleitung |
Besonderes: | + exzellenter Klang + symmetrischer Analog-Eingang + erstklassige Verarbeitung + LAN-fähig via Ethernet-Schnittstelle + HiRes bis PCM 384 kHz/32 Bit und DSD 256 + Apple AirPlay- und Mfi (Made for iPod, iPhone, iPad)-zertifiziert + Spotify Connect + Roon Ready + MQA bis MQA 8X + über App bedienbar + hochqualitative Fernbedienung + kompatibel mit Hausautomatisierungssystem Control4 - kein Streaming per WLAN |
Benotung: | |
Klang (60%): | 97/100 |
Praxis (20%): | 98/100 |
Ausstattung (20%): | 97/100 |
Gesamtnote: | 97 |
Klasse: | Referenzklasse |
Preis/Leistung | gut |