Home » Tests » Orbid Sound Palum – Das neue Topmodell in der Beyond-Reihe
5. Dezember 2019von Dieter Pfeil
Orbid Sound hat mit seiner Palum ein neues High-End-Modell am oberen Ende der Beyond-Reihe platziert. Dieser Dreieinhalb-Wege-Lautsprecher zeichnet sich durch ein individuelles Design, einen riesigen AMT-Hochtöner und gleich drei große Bass-Mitteltontreiber aus. Ob der Klang mit dem protzigen Auftritt mithalten kann, soll dieser Test klären.
Seit über 50 Jahren werden in Baden-Württemberg Orbid Sound-Lautsprecher gefertigt. Eingefleischten HiFi-Enthusiasten und Kenner der Marke enthülle ich hier natürlich nichts Neues. Sie wissen das robuste Design aus der Klangmanufaktur von Daniel Beyersdorffer und Thomas Feil zu schätzen. Jeder in Balingen bestellte Lautsprecher hat eine Lieferzeit von etwa drei Wochen. Diese Zeit wartet man gern, denn jeder Schallwandler wird nach Auftragserteilung individuell von Hand gefertigt. Dabei wird höchster Wert darauf gelegt, nur Einzelteile von deutschen und spanischen Lieferanten zu verbauen. Das eigene Hauptquartier hat das Orbid-Team in einer alten Tankstelle gefunden. Hier kann man sich seine künftigen Lautsprecher ganz in Ruhe ansehen und anhören. Und er kann sie nach eigenem Farbwunsch kreieren. Hierbei kann er aus dem RAL-Farbenkatalog wählen und das Finish in Seidenmatt oder Hochglanz ordern. Erhältlich sind die hauseigenen Lautsprecher tatsächlich nur vor Ort, per Direktversand oder bei einigen auserwählten Fachhändlern.
Schweres Kraftpaket
Die von uns zum Test bestellten Palum sind groß … und schwer. Um die 38 Kilogramm bringt jeder Schallwandler auf die Waage. Das erfordert Stabilität in jedem Detail. Beispielsweise bestehen die Füße hier nicht aus schnödem Plastik. Stattdessen hat man sich für einen Fuß aus Kunstkoralle entschieden Dieses Material soll eine besonders wirkungsvolle Entkopplung vom Boden bewirken. Maßgeblich verantwortlich für das hohe Gewicht ist übrigens das Material, das für Korpus und Hochtongehäuse verwendet wird. Orbid Sound setzt hier auf 25 Millimeter dicke MDF-Platten. Die Bodenplatte misst sogar 30 Millimeter. Bodenplatte und Gehäuseteile trennen wahlweise Edelstahlkugeln oder massive Aluminiumblöcke. So erreicht das Gehäuse eine Höhe von 138 Zentimetern und ist damit nur wenig kleiner als eine Parkuhr. Diese Anspielung versteht natürlich nur, wer damals schon Orbid Sound in seinem VW Golf der ersten, zweiten oder dritten Generation verbaut hatte. Aber ich schwelge in der Vergangenheit.
Anders im Detail
In der mit 24,5 Zentimetern recht schlank wirkenden Gehäusefront befinden sich drei acht Zoll messende Bassmitteltonchassis mit Polypropylen-Membran. Das ist schon wieder ungewöhnlich, verwenden die industriellen Hersteller doch inzwischen überwiegend sehr steife Membranen mit diversen Beschichtungen. Oben aufgesetzt, in einem definierten Gehäuse, sitzt der hauseigene Air Motion Transformer. Ein ziemlich teures Detail, das allerdings eine hohe Impulsschnelle und eine breite Abstrahlcharakteristik verspricht. Darauf bin ich besonders gespannt. Bei dieser Bestückung und 150 Watt Nennleistung, beziehungsweise 300 Watt Musikleistung darf ich wohl auch so einiges erwarten. Als Impedanz weist die Palum auf ihrem Typenschild übrigens drei Ohm aus, die Herstellerseite spricht von vier Ohm. Dazu später aber mehr. Sehr gut gefällt mir auch das eigenwillig gestaltete Anschlussterminal. Es nimmt Bananenstecker und sogar unkonfektionierte Leitungsquerschnitte von bis zu 10 Quadratmillimetern auf.
Schwere „Geschütze“ in Position bringen
Damit meine ich nicht nur die Orbid Sound Palum, die ich etwa zweieinhalb Meter auseinander aufgestellt habe. Als Hörabstand empfiehlt Orbid Sound mindestens zweieinhalb Meter. Das passt ja schonmal. Orbid Sound hat uns auch eine Vorverstärker-Endverstärker-Kombination mitgeschickt, mit der die niederohmigen Lautsprecher gut harmonieren sollen. Anschluss finden die Palums hier direkt am Essence No. 330 von WBE, der auch unter drei Ohm noch einen optimalen Dämpfungsfaktor aufweisen soll.
Jetzt muss ich wohl doch etwas technischer werden. Der Dämpfungsfaktor in modernen Verstärkern wird verhältnismäßig hoch gewählt, um hohe Gegenkopplungsreserven zu erhalten. In höheren Frequenzen sinkt er allerdings ab, was sich wiederum ungünstig auf das Ausschwingverhalten von niederohmigen Lautsprechern auswirkt. Der Essence No. 330 will dies durch eine besondere Schaltung ausgleichen und bietet einen linearen Dämpfungsfaktor auch im hohen Frequenzbereich. Hierdurch wird die Wiedergabe von Höhen noch dynamischer und kontrollierter.
Die Palum ein wenig herumrücken
Angesteuert wird der Hauptverstärker vom Veracity Pre-Amp No. 48, ebenfalls von WBE. Beim ersten Einspielen kommen meine Kollegen im Nebenraum dann sofort in einen wundervollen Bassgenuss. Ich hingegen vermisse den nötigen Schmiss im Bass. Aber da die Kollegen nun ohnehin schon in der Tür stehen, um zu sehen, was da so rumpelt, können sie ja gleich helfen das Sofa weiter zur Wand rücken. Siehe da, bei einem Hörabstand von etwa vier Metern überwinden wir das Bassloch und ich erhalte eine homogene Wiedergabe. Je nach Einrichtung und Raumgeometrie kann das in einem anderen Zimmer aber auch anders sein. Das gilt übrigens für jeden Lautsprecher. Der neue Hörabstand hilft den Kollegen nebenan nun zwar wenig, aber ich kann die je drei auf mich einwirkenden Bassmitteltontreiber jetzt endlich vollends genießen.
Akustische Abbildung
Jetzt wird aber endlich aktiv Musik gehört. Zum Warmspielen verwende ich „Memphis“ vom Delvon Lamarr Organ Trio. Dabei begrüßt mich zunächst die wärmende Hammond-Orgel. Nach dem Gitarrenintro sorgt in den Tiefen dann die solide Performance der Pedalerie für ein ordentliches Fundament. Die Becken des Schlagzeugs erhalten eine angenehm sanfte, zugleich aber auch detailreiche Abbildung. Und die drei Treiber im Hauptkorpus formen auch bei höherer Lautstärke eine insgesamt sehr stimmige Abbildung der Live-Aufnahme bei KEXP. Überhaupt verleiten die Lautsprecher dazu, gerne etwas lauter zu hören. In Zimmerlautstärke baut der Bass eine gewisse Spannung auf, die man als Hörer auch spüren möchte. Aber für laut und Bass brauche ich andere Musik. Kurz darauf darf „Maria“ von Grandson ausreizen, was die drei großen Membranen so draufhaben. Bevor es aber so richtig zu Sache geht, beeindruckt zunächst die Akustikgitarre im Intro mit einer sehr schönen warmen und detailreichen Zeichnung.
Aus einer anderen Galaxie
Die Tiefmitteltonchassis sind homogen an die Weiche angegliedert. Als der Bass dann richtig abgeht, hebt mein Sofa fast ab. Der Bass kriecht sozusagen unter dem Teppich entlang und bringt ordentlich Schwung in die Bude. Das ist an meinen Kollegen nicht spurlos vorbeigegangen. Als ich Kaffee hole, sitzen sie bekopfhörert auf ihren Bürostühlen. „Liegt sicher an meinem Musikgeschmack“ sage ich mir und lege „Teardrop“ von Massive Attack ein. Hier beeindruckt mich das weit in den Raum klingende Spinett mit seinen seidigen Klängen und der facettenreichen Abbildung. Der Tiefbass unter der Bassdrum brummelt sauber vor sich hin, die Sängerin wird hell und nuanciert dargestellt. In „Time To Wonder“ von Fury in the Slaughterhouse gefällt die dynamische und authentisch intonierte Gitarre. Der Bass der Bassdrum und der Bassgitarre sind angenehm an den weiteren Frequenzbereich angebunden. Trotz der vielen Treiber wirkt die Basswiedergabe der Palum nie übertrieben.
Feinste Luftbewegungen
Der Air Motion Transformer, der auch in der Orbid Sound Palum Verwendung findet, macht seine Sache an der WBE-Verstärkerkombination übrigens mehr als ordentlich. In Angela Puxis „Anima“ gefällt mir besonders die Darstellung der Percussion. Höhen werden sehr fein ausgearbeitet und auch kleine Details gehen nicht verloren. Sehr schön klingt auch „Mercy Street“ von Peter Gabriel. Natürlich saugt der Bass den Hörer sofort in die typische düstere Stimmung des Stücks ein. Die Schellen und Triangeln im Hintergrund hellen die Stimmung durch ihre brillante und doch sanfte Darstellung aber wieder angenehm auf. Diese Bändchenlautsprecher reagieren unglaublich agil auf feinste Anregungen. Besonders angenehm empfinde ich, dass sie nicht so messerscharf sezieren wie normale Hochtonkalotten und dabei doch viele Details abbilden. Einen Hauch zu dünn gerät für meinen Geschmack aber die Anbindung des Mitteltonbereichs an den Hochtöner. Aber über Geschmack lässt es sich ja bekanntlich nicht streiten.
Sanfte Abbildung, fester Griff
In Perfektion zeichnet der Air Motion Transformer dafür jede Bewegung des Besens im „Asphalt Canyon Blues“ auf der Snare nach. Jedes sanfte Wischen weiß der Wandler in die passende Luftbewegung umzusetzen. Das Saxophon steht frei im Raum und wird sehr schön sanft abgebildet. Jedes Säuseln dringt hier bis ans Ohr des Hörenden. Abgerundet wird das Spiel wieder durch den tief hinabreichenden Kontrabass. Übrigens: Auch bei dieser feinen Musik kann ich den Lautstärkeregler wieder weit nach rechts drehen, ohne dass auch nur eine Nuance verloren geht. Was die Räumlichkeit anbelangt, gibt es bei der Palum absolut nichts auszusetzen. In „Corazon Espinado“ von Santana wird mir dann erneut eine breite Bühne aufgespannt, die von Percussion und Gitarren weidlich ausgenutzt wird. Wieder beweist der Air Motion Transformer, dass er feinste Anregungen in präzisen Klang verwandeln kann. In den Eggshakern höre ich sozusagen jedes Sandkorn einzeln rasseln.
Darf es etwas mehr sein?
Die Palum projiziert also sehr präzise und plastisch. Was mir noch auffällt, ist die packende Dynamik. Die uns in Feuerrot zum Test überlassene Dreieinhalb-Wege Box stellt jeden Dynamikanstieg in vielen kleinen Sprüngen dar. Sehr gut, denn das lässt alles homogener und natürlicher wirken. So strotzt die Palum geradezu vor musikalischer Vielfalt und Feinauflösung. So lässt sich auch der eben beschriebene Effekt mit den Eggshakern erklären. Die breite Bühne und die warme Zeichnung des Sängers in „Paper Trails“ von Darkside machen so Lust auf mehr: Mehr Musik, mehr Lautstärke, mehr Orbid Sound. Das bekommt man dann auch. Und zwar nicht nur hier, sondern in fast jedem Hörraum. Immer vorausgesetzt, man beschäftigt sich ein wenig mit seiner neuen Palum. Sind der richtige Hörabstand und die Ausrichtung auf den Hörplatz einmal gefunden, darf man sich auf ein ungemeines Hörvergnügen freuen.
Fazit
Die Orbid Sound Palum weiß mit ausgezeichneter Höhendarstellung und sattem Bass zu überzeugen. Im Verbund mit der Verstärker-Kombination von WBE kann dieser aussergewöhnlich gestylte Lautsprecher Akzente setzen. Gerade die fein abgebildeten, nicht zu scharf akzentuierten Höhen machen Freude. Handwerklich ist das Gehäuse sauber verarbeitet. Durch die Individualisierung erhält man in der Klangmanufaktur tatsächlich immer ein Unikat, das auf persönlichen Kundenwunsch angefertigt wurde. Das satte Auftreten der Box an sich manifestiert sich auch in einem satten Klang. Jetzt muss nur noch geklärt werden, ob der Musikgeschmack der Nachbarn mit dem eigenen in Einklang zu bringen ist. Am meisten Spaß hatte ich in meinem Test, zum Leidwesen meiner Kollegen, bei eher lauter Musikwiedergabe.
Test & Text: Dieter Pfeil
Fotos: Philipp Thielen
Klasse: Referenzklasse
Preis-/Leistung: angemessen
96 of 100
96 of 100
97 of 100
Technische Daten
Modell: | Orbid Sound Palum |
---|---|
Produktkategorie: | Standlautsprecher |
Preis: | ab 5.800,00 Euro / Stück |
Garantie: | Lautsprecher: 6 Jahre |
Ausführung: | - Hochglanz Weiß - Hochglanz Schwarz - Hochglanz Individuell (nach RAL-Farbe) - Seidenmatt Weiß - Seidenmatt Schwarz - Seidenmatt Individuell (nach RAL-Farbe) |
Vertrieb: | Orbid Sound, Balingen Tel.: 07433/39 10 122 www.orbid-sound.de |
Abmessungen (HBT): | 1380 x 245 x 340 mm |
Gewicht: | ca. 38 Kilo/Stück |
Bauart: | Dreieinhalb-Wege, Bassreflex |
Hochtöner: | AMT |
Tief-/Mitteltöner | 3 x 20 mm |
Wirkungsgrad: | 94 dB (Herstellerangabe) |
Lieferumfang: | - Palum - Kunstkorallenfüße |
Pros und Contras: | + Customizing-Konzept + stattliche Bestückung + AMT-Hochtöner + agiler Grundton + sattes Bassfundament + schönes Dynamikverhalten + Feinauflösung - Mitteltonanbindung |
Benotung: | |
Klang (60%): | 96/100 |
Praxis (20%): | 96/100 |
Ausstattung (20%): | 97/100 |
Gesamtnote: | 96/100 |
Klasse: | Referenzklasse |
Preis-/Leistung | angemessen |
-
Orbid Sound Arion I – Custom-Design-Lautsprecher mit Charakter
-
Saxx CLX9 – Anpassungsfähig, flexibel, klanglich erstklassig
-
Saxx coolSound CX 70 – Highfideler Klangästhet zum Schnäppchenpreis
-
Orbid Sound Hi-Line – schlankes 2.1-Lautsprecher-Setup für fetten Sound
-
KEF LSX – stilvoll gestaltetes HiFi-System für moderne Ansprüche