Home » Tests » Streaming-fähiger Verstärker Hegel H120 – Kraft und Klarheit
31. Januar 2020von Volker Frech
RedakteurAblösung mit Upgrade: Als Nachfolger des Röst bietet der Hegel H120 die aktuelle Version der fast schon legendären SoundEngine, die das Herzstück aller Hegel-Verstärker darstellt. Auch bei der Feature-Vielfalt kann der 75 Watt starke Amp mit den größeren Serien-Brüdern mithalten: Er punktet mit Streaming via LAN, AirPlay und Spotify Connect, etlichen HiRes-fähigen Digitalschnittstellen, variablen analogen Ein- und Ausgängen und sogar einem Kopfhörer-Anschluss. Klingt nach der vollen Hegel-Ausstattung – und das zu einem erstaunlichen Preis. Ob das stimmt und ob der H120 auch den vollen Hegel-Klang bietet, zeigt unser Test.
So konnte es nicht weiter gehen: Während Hegel alle anderen Vollverstärker mit einem „H“ und einer Ziffernfolge kennzeichnet, passte der Röst mit seiner Benennung nach einer norwegischen Inselkette so gar nicht ins Programm. Im Zuge der Modellerneuerung hat man sich bei den Norwegern zu einer Vereinheitlichung durchgerungen: So ist aus dem H80 der H90 geworden, aus dem H160 der H190, aus dem H360 der H390, auch das neu eingeführte Flaggschiff H590 folgt der stringenten Nomenklatur, und aus dem Röst ist nun der – tja… H120 geworden. Damit behält er namentlich eine gewisse Ausnahmestellung, ansonsten ist der H120 aber ein typischer Hegel – und das beginnt schon bei der Optik.
Skandinavisch-dezentes Design
Hegel-Verstärker erkennt man auf den ersten Blick, dafür sorgt vor allem die zugleich markante wie dezente Formgebung der vorgesetzten Front. Die aus vollem Aluminium gefertigte, an allen Ecken und Kanten sanft abgerundete Stirnseite besitzt eine wunderbar geschwungene Gestalt. Sie sorgt für eine große optische Geschmeidigkeit betont und zugleich den zentralen Bereich des Verstärkers. Hier sind, abgesehen von der rechts unten unauffällig platzierten 6,35-Millimeter-Kopfhörerbuchse, die wenigen Elemente der Front versammelt: das zentrale Display und die beiden vollmetallnen, ebenfalls sanft gerundeten Drehgeber. Das rechte Stellrad dient dabei der Lautstärkeänderung, das linke hingegen der Quellenwahl. Beide Bedienknöpfe erweisen sich bei ihrer Betätigung als wunderbar leichtgängig, wobei eine perfekte Rastung für eine definiert-kontrollierte Veränderung der Einstellung ermöglicht. Bei der Quellenwahl hören wir zudem das beruhigende Klacken von schließenden und öffnenden Relais. Dieses Klacken ist ein gutes Zeichen dafür, dass die Umschaltung von einem Eingang zum nächsten elektrisch sauber und akustisch ohne Störgeräusche vonstatten geht. Die vorgenommenen Veränderungen werden nun samt und sonders im Display dargestellt. Der H120 besitzt, wie auch schon sein Vorgänger „Röst“, das neue OLED-Display. Es hat mittlerweile bei allen Hegel-Verstärkern die grobe blaue LED-Segment-Anzeige abgelöst und zeigt Schwarz auf Weiß, gestochen scharf und mit feiner Auflösung den aktuellen Betriebszustand an.
Die Leichtigkeit des Seins
Dieses Display trägt ebenso zur hochwertigen Anmutung des Verstärkers bei wie die makellose Verarbeitung des ansonsten in robustes Stahlblech gehüllten Amps. Diese Metallhülle ist wahlweiß in schwarzer oder weißer Anmutung zu haben, wobei die helle Variante – zumindest bei dem von uns schon getesteten Hegel Röst – einem Cremeweiß entspricht. Zur Eleganz des H120 tragen nun die schlanken Maße des Gehäuses bei: Der Verstärker ragt bei einer Breite und Tiefe von 43 mal 31 Zentimetern gerade mal acht Zentimeter in die Höhe. Mit den Füßen sind es dann 20 Millimeter mehr – doch genau durch diese Erhöhung scheint der Verstärker über dem Untergrund zu schweben. Auch das sorgt für die optische Leichtigkeit seines Seins. Zudem erreicht man so besser den An/Aus-Schalter. Er sitzt, wie immer bei Hegel-Amps, im vorderen Bereich der Bodenplatte. Zurück zu den zylindrischen Füßen: Sie bestehen aus Vibrationen absorbierendem Gummi, die so erzielte mechanische Beruhigung ist vorteilhaft für den Klang. Wie beim Röst bleibt die Zahl der Füße auf drei beschränkt. Durch diese Dreipunkt-Lösung steht der Verstärker immer kippelfrei. Beim Studieren der rückseitigen Anschlüsse sollte man sich allerdings nicht auf eine der hinteren Verstärkerecken stützen. Also drehen wir den H120 lieber direkt um, um uns über seine Konnektivität schlau zu machen.
Digitale Schnittstellen: S/PDIF und USB
Beim digitalen Anschluss-Angebot offeriert der H120 die gleiche Ausstattungsvielfalt wie die größeren Hegel Verstärker: Mit drei optischen und einem elektrisch-koaxialen Input verfügt er über insgesamt vier S/PDIF-Eingänge. Sie akzeptieren alle PCM-Signale bis 192 Kilohertz/24 Bit, damit ist die HiRes-Fähigkeit dieser Anschluss-Norm voll ausgereizt. Beim nächsten Anschluss, dem USB-Port, ist das anders: Normalerweise ist über USB die höchste HiRes-Qualität erreichbar, beim H120 bleibt die File-Güte aber auf PCM 96 Kilohertz/24 Bit limitiert. Da kann dieser Verstärker mit den beiden größten Hegel-Modellen H390 und H590, die PCM 384 Kilohertz/32 Bit und sogar DSD 256 beherrschen, nicht mithalten, aber er zieht gleich mit dem fast ein Drittel teureren H190. An diesen USB-Port klemmt man den Computer, das Notebook oder den Laptop. Jene Geräte dienen nun nur noch als reine File-Lieferanten, der Hegel übernimmt mit seinem DAC nun den Job der Soundkarte. Richtig so, denn die Rechner besitzen normalerweise eine nicht gerade überragende Wald-und Wiesen-Soundkarte, während der H120 hier ein ausgewiesener Audio-Spezialist ist – insbesondere mit seinem neuen D/A-Konverter. Diese gegenüber dem Röst deutlich überarbeitete Wandler-Einheit kommt natürlich auch den anderen digitalen Schnittstellen des H120 zugute.
Streaming via LAN: Apple AirPlay, Spotify Connect …
Den Abschluss bei den sichtbaren Digitalanschlüssen bildet die Ethernet-Schnittstelle. Über diesen LAN-Port integriert man den H120 in das heimische Netzwerk. So kann er mit der Musik von einer hier eingebundenen NAS, also einem Netzwerk-Speicher/Server, gefüttert werden. Per LAN akzeptiert der H120 HiRes-Files bis PCM 192 Kilohertz/24 Bit. Für die Steuerung braucht man nun nur noch ein Smartphone, ein Tablet oder einen Computer sowie eine entsprechende Software. Hier überlässt Hegel lieber Spezialisten das Feld und sorgt dafür, dass der H120 mit jeder UPnP- und DLNA-fähigen App (wie zum Beispiel BubbleUPnP) oder Player-Software (etwa Audirvana) funktioniert. Über den LAN-Anschluss eröffnen sich uns auch die nächste Streaming-Möglichkeiten: Der H120 bietet das beliebte und verbreitete Spotify Connect sowie das für Apple-User reservierte AirPlay, das eine Qualität bis PCM 48 Kilohertz/16 Bit ermöglicht. Der Amp harmoniert also mit sämtlichen AirPlay-fähigen Geräten vom iPad bis zum iPhone, dafür bürgt das Label „Works with Apple AirPlay“. Dementsprechend wird der H120 von diesen Produkten auch automatisch erkannt. Auch über einen Mac und sogar über einen PC, auf dem iTunes installiert ist, kann man Musik vom Server auszuwählen und vom H120 als sogenanntem „Renderer“ abspiele lassen. So lassen sich ebenfalls Songs von einer Cloud streamen – oder, mit einem entsprechenden Abonnement, Tracks von den angesagten Musik-Streaming-Diensten Tidal, Qobuz oder Spotify.
… und demnächst auch roon
Das Streaming-Portfolio des H120 wird bald auch noch um roon erweitert: Hegel hat angekündigt, dass der Verstärker mit dem nächsten Firmware-Udate dann auch roon ready ist und als roon endpoint funktioniert. Besitzt man einen (kostenpflichtigen) roon-Account, kann man den H120 dann auch mit dieser erstklassigen Musikmanagement-Software betreiben und etwa in eine Multiroom-Beschallung integrieren. Diese Vielfalt der Streaming-Möglichkeiten verträgt sich gut mit Hegels Charakterisierung des H120: Die Norweger sehen den typischen Benutzer dieses Verstärkers als Streaming-affinen Musikhörer. Dabei bleibt Hegel aber seiner Klang-Philosophie treu und verzichtet aus Qualitätsgründen auch beim H120 auf Streaming per WLAN und Bluetooth.
Analoge Anschlüsse mit flexibler Anwendung
Bei aller digitalen Schnittstellen- und Streaming-Ausrichtung hat der H120 aber auch Anschlüsse für Analog-Komponenten in petto. Der Premium-Eingang ist dabei der symmetrische Line-Input in Form zweier XLR-Buchsen. Diese Anschluss-Art findet man nur bei hochwertigen Geräten des Consumer-Bereichs und bei Profi-Komponenten. Kein Wunder, denn die symmetrische Signalführung garantiert die beste Übertragungsqualität. Das Signal wird dabei gleich zweimal übermittelt, einmal im originalen Zustand und einmal um 180 Grad phasengedreht. Dadurch lassen sich Störungen, die auf das Kabel einwirken und sich als Sirren oder Brummen niederschlagen, aufheben. Sollte Ihr Quellgerät also über einen symmetrischen Ausgang verfügen, bevorzugen Sie bitte diese Anschlussvariante. Neben dem symmetrischen Eingang bietet der H120 noch zwei Line-Inputs in Gestalt zweier Cinch-Buchsenpaare. Alle drei Analog-Eingänge können umfunktioniert werden. Über das Bedienmenü lassen sie sich als „HomeTheater Input“ konfigurieren. Dadurch wird die Lautstärke des H120 auf ein fixes hohes Niveau gesetzt. So kann man den H120 auch im Zusammenspiel mit einem Mehrkanal-Setup als Verstärker integrieren. Nun zur Ausgangssektion: Hier bietet der H120 einen Line-Ausgang mit variablem Line-Level. Das ermöglicht etwa den Anschluss eines Subwoofers, aber auch den Betrieb einer externen Endstufe, falls man etwa eine Bi-Amping-Lösung anstrebt. Wer seine Schallwandler lieber klassisch mit einem einzigen Verstärker betreiben möchte, ist mit den Lautsprecher-Anschlüssen des H120 bestens bedient: Diese vier Polklemmen, die den den Anschluss eines Boxenpaars erlauben, sind von amtlicher Qualität.
Trafo-Doppel für getrennte Stromversorgungen
Damit an diesen Outputs etwas ankommt, besorgt der H120 natürlich erst einmal die Verstärkung der Musiksignale – doch noch vor der Verstärkung steht die Versorgung: Die Güte des Netzteils und seine Lieferfähigkeit spielen eine wichtige Rolle für die Qualität des Klangs. Hegel setzt deshalb auf ein „DualPower“ getauftes Prinzip: Die Eingangs- sowie Spannungsverstärkerstufen und die Ausgangsstufen erhalten ihren Strom von unterschiedlichen Windungen des Transformators sowie von jeweils eigenständigen Gleichrichtern und Glättungskondensatoren, die jeweils für sauberen und hochstabilen Strom sorgen. Beim H120 geht die Separierung nun noch einen Schritt weiter: Er besitzt gegenüber dem Vorgänger Röst sogar zwei verschiedene Trafos für komplett getrennte Stromversorgungen. Die üppige Trafo-Ausstattung erklärt auch das hohe Gewicht des Verstärkers: Der schlanke, so leicht anmutende H120 bringt knapp zehn Kilogram auf die Waage.
Das Hegel-Herz: Die SoundEngine2
Auch am Herzen hat Hegel operiert: Der H120 ist mit der aktuellen Version der SoundEngine ausgestattet, die in allen Hegel-Verstärkern die Amplifikation übernimmt und für ihre Klangqualität fast schon berühmt ist. Diese Spezial-Schaltung vereint die Vorzüge der Class A- und der Class-AB-Verstärkung: beste Signaltreue, minimale Verzerrung, hoher Wirkungsgrad. Dafür macht die SoundEngine einiges anders als herkömmliche Verstärker – wer sich dafür interessiert, liest hier weter, wer direkt wissen müchte wie es klingt, scrollt bitte bis zum Praxisteil weiter.
Üblicherweise sieht eine Schaltung so aus: Verschiedene aufeinanderfolgende Verstärkerstufen sorgen dafür, dass das zarte Musiksignal stark wird. Weil aber jeder Verstärker prinzipbedingt eine Verzerrung erzeugt, werden auch diese Verzerrung von Stufe zu Stufe mitpotenziert. Um diese Verzerrungen in Grenzen zu halten, wird nun am Ende der Schaltung ein Teil des Signals abgegriffen, wieder an den Anfang geleitet und in die erste Verstärkerstufe parallel zum Originalsignal wieder eingespeist. Durch diese sogenannte negative Rückkopplung reguliert man die Schaltung und sorgt dafür, dass sie im optimalen Arbeitsbereich agiert. Das reduziert die entstandenen Verzerrungen. Dafür handelt man sich aber gleich die nächsten Nachteile ein, einer davon betrifft das schlechte Timing: Das rückgeführte Signal ist gegenüber dem Originalsignal immer verzögert, die Regulierung hinkt also ständig hinterher. Die SoundEngine arbeitet deshalb anders: Statt einer Feedback-Schleife agiert hier ein Feed-Forward-System.
Klarer Klang durch Verzerrungs-Vermeidung
Das Musiksignal nimmt dabei zwei Wege. Auf dem einen Weg wird es wie üblich verstärkt und erhält dabei die unvermeidlichen Verzerrungen als Zugabe. Zugleich werden auf einem zweiten Weg die entstandenen Verzerrungen ermittelt, isoliert und invertiert – und allein diese phasenverkehrten Verzerrungen werden nun von hier aus als Signal direkt an das Ende der Verstärkerschaltung geschickt. Dort treffen diese invertierten Verzerrungen wieder auf das Musiksignal, das ja mit den nichtinvertierten Verzerrungen behaftet ist. Diese Verzerrungen heben sich nun auf – so wie -1 und +1 Null ergibt. Übrig bleibt allein das Musiksignal. Da diese Regelung ohne Verzögerung arbeitet, fallen auch die latenzbedingten klangverschlechternden Einflüsse weg. Zudem werden sogenannte Übernahmeverzerrungen vermieden, die prinzipbedingt in einer herkömmlichen Class AB-Schaltungsstufe auftreten. Dort betreiben zwei Transistoren Arbeitsteilung: Der eine Transistor verstärkt die obere Hälfte der ankommenden Musiksignal-Schwingung, der andere Transistor die untere Hälfte. Der Wechsel vom einen zum anderen Halbleiter ist aber problematisch: Wenn der erste Transistor seine Arbeit entweder zu früh oder zu spät beendet und der zweite Transistor nicht zum richtigen Zeitpunkt übernimmt, führt das zu einer Deformierung des verstärkten Musiksignals. Das versucht man mit einer „Bias“ genannten festen Voreinstellung vermeiden. Dieser Bias sorgt dafür, dass die Transistoren bruchlos zusammenarbeiten. Allerdings funktioniert das nur bei einem statischen Signal perfekt. Ein Musiksignal ist jedoch dynamisch, es verändert sich also ständig, weshalb sich auch der Bias verändern muss. Deshalb ist die SoundEngine2 so konzipiert, dass sie auch diese dynamischen Übernahmeverzerrungen verhindert. Das Resultat ist ein von zwei Verzerrungsproblemen bereinigter und befreiter, klarer Klang. Den wollen wir nach so viel Theorie jetzt auch in der Praxis hören.
Der Hegel H120 in der Praxis
Als erstes gucken wir, ob der H120 auf dem neuesten Software-Stand ist. Das geht schnell: Nach der Verkabelung samt Anschluss an unser Redaktions-LAN rufen wir im Menü die Update-Funktion auf, prompt zieht sich der H120 die aktuelle Firmware und startet sich nach der Installation neu. Verkabel sind mit dem H120 außerdem als Zuspieler unser SACD-Player Oppo UDP-203 und unser Notebook, das mit der audiophilen, HiRes-fähigen Playersoftware Audirvana ausgestattet ist. Ausgangsseitig haben wir den H120 mit einem Paar Audio Physic Codex verbunden, dieser hervorragende Schallwandler wird demnächst bei uns im Test vorgestellt. Als Kopfhörer kommt das Referenzklasse-Modell Focal Utopia an die Headphone-Buchse. Wir starten mit „Boogie Street“, von Leonard Cohens 2009 erschienener CD „Live in London“. Frenetischer Applaus des Publikums eröffnet diese Nummer, und sofort stellt sich dieses schöne Gefühl von Unmittelbarkeit ein: Die klatschenden Hände, die Schreie, die Akustik des Saals – all dies ist so fein und detailreich abgebildet, dass wir dieses Prickeln spüren, welches in der Halle herrscht. Wir sind dabei! Dann setzt Sharon Robinson mit ihrer wohltönenden Stimme ein, die Sängerin und Komponistin hat diesen Song geschrieben, übernimmt deshalb hier auch die Lead Vocals – und sorgt für Gänsehaut: Robinson intoniert mit Seele und Gefühl die erste Zeile „Oh Crown of Light“ – direkt vor uns, mit jedem zarten Hauch ihres Einatmens und Aushauchens. Das letzte Wort veredeln zusätzlich zwei Backgroundsängerinnen mit mehrstimmigem „Huh“, zugleich setzt der Bass ein, vom Synthesizer ertönt ein flächiger Sound, das Piano spielt eine Akkordzerlegung über mehrere Oktaven – was für eine dramatisch-intensive Einleitung! Und was für ein durchsichtiger und knackiger Klang! Die Spannung steigert sich bis zu Robinsons Bekenntnis „And I’m back on Boogie Street“. Das ist der Einsatz für die gesamte Band, und jetzt ist das Klangbad komplett. Es fängt beim Schlagzeug an, Rafael Bernardo Gayol setzt, wie es sich für eine Ballade gehört, auf ein dezentes Drumming, Bass und Snare liefern fast unauffällig den Beat, Akzente setzt er aber mit feinem Schlagwerk auf der Hi Hat, dem Schellenkranz und anderer Perkussion. Das ist effektiv und zugleich raffiniert – und der H120 ist in der Lage, all diese Finessen, die im Hintergrund stattfinden, zwar auch dort zu belassen, jeden Anschlag, jede, Fell- und Beckenberührung aber immer hörbar parat zu haben. Wer darauf achtet, bekommt alles zu hören. Das ist klasse! Das Klangbad füllt aber weitaus vernehmbarer Roscoe Beck mit seinem Bass. Nach dem Intro, in dem er mit vollem, runden Sound und lang stehenden Liegetönen für ein fettes Fundament gesorgt hat, spielt er ab nun eine groovende Rhythmusfigur, die nicht minder voluminös ist und zusammen mit den Drums für den Drive in dem Song sorgt. Nun kommen noch Keyboard, Gitarre, Saxophon, Background- und Lead-Gesang obendrauf, Leonard Cohen unterlegt den Vokalpart schließlich mit seiner tiefen, raunenden Stimme. Zusammen ist das eine ziemlich dicht instrumentierte Nummer, trotzdem bleibt das musikalische Geschehen absolut aufgeräumt, durchsichtig und plastisch.
Die Sauberkeit des Seins
Wir spielen den Song von CD, haben bislang dem Oppo das Wandeln der Daten überlassen und die Musik über den Analogeingang des Verstärkers gehört. Was passiert nun, wenn wir dem H120 die Konvertierung überlassen? Wir spielen „Boogie Street“ nun über den elektrischen S/PDIF-Eingang zu – und mögen es kaum glauben: Die Nummer klingt nun vernehmlich frischer und knackiger, der Bass hat mehr Volumen und das Schlagzeug, gerade die Bassdrum, ist deutlich konturierter. Die Musik hat plötzlich mehr Pep, als wäre die Band erst jetzt richtig wach und präsent. Der DAC des H120 macht hier definitiv einen exzellenten Job! Wo wir schon bei der Digitalsektion dieses Verstärkers sind, können wir auch gleich mal auf LAN wechseln und Musik aus unserem Netzwerk streamen. „Scorpio Rising“ von Yello kommt uns da gerade recht. Die Schweizer Soundmagier sind ja legendär für ihre exzellenten Produktionen, sie erschaffen mit massivem Synthesizer- und Geräuscheinsatz geradezu surreale Klangwelten. So ist es auch bei „Scorpio Rising“ vom Album „Touch“: Ein schwer und dräuend wabernder Soundteppich belegt den Boden unseres Hörraums, die Bassanteile drücken uns aber auch schon auf die Ohren und auf das Gemüt. Dabei haben wir den Hegel gerade erst auf „50“ stehen, also zur Hälfte aufgedreht. Nun ploppen die ersten Geräusche im Raum auf – besser: im Kunstraum, den Yello haben hier einen superben Hall eingesetzt, der uns in eine völlig andere akustische Welt versetzt, die mit der Realität unseres Testraums nichts mehr zu tun hat. Dann können wir auch gleich die Augen schließenden und völlig in diese neue Klangwelt eintauchen. Das ist ein atemberaubendes Erlebnis, denn immer wieder werden unsere Ohren von akustischen Ereignissen angetriggert: Klicken, Gluckern, Wummern, Sirren, dazu Töne eines Saxophons, Fetzen eines Chorgesangs – alles taucht im Laufe des Songs plötzlich auf, schwirrt vor, neben oder über uns im Raum umher und verschwindet allmählich in den unendlichen Weiten. Yello bieten uns hier ein regelrechtes Hörspiel, und der H120 vollbringt seinerseits das Meisterstück, mit seiner ultrasauberen Verstärkung die absolute Reinheit dieser künstlich-kunstvollen Studioproduktion zu bewahren. Neben dieser Sauberkeit des Seins beeindruckt uns dabei auch die Impulstreue: Die Geräusche, so fein und leise sie mitunter sind, ertönen mit vollkommener Ansatzlosigkeit und besitzen deshalb sofort eine Präsenz.
Kraft und Kontrolle
Ein Yello-Track kommt eigentlich nicht ohne abgrundtiefe Bässe aus – und so verhält es sich auch bei „Scorpio Rising“: Die langanhaltenden Tieftöne, jetzt mal auf Pegelstufe „60“ gehört, drücken schon mächtig auf unseren Körper. Das hat durchaus eine Mächtigkeit, die manchem auf den Magen schlagen kann. Wir schauen beim Zuhören immer wieder auf den H120 – und wundern uns, woher dieser schlanke Verstärker diese Kraft nimmt. Wir hören keinerlei Zeichen von Anstrengung, die Wiedergabe klingt selbstverständlich. Klar sind die größeren und wattstärkeren Modell der Norweger hier noch ein wenig souveräner, aber selbst bei etwas größeren Räumen wird diesem Amp nicht die Puste ausgehen. Das beweist er auch bei hochdynamischer Musik: Moritz Moszkowskis „Fackeltanz“ ist ein effektvolles, auf Dynamik getrimmtes Orchesterstück, das erst lieblich-schildernd daherkommt, um dann mit flirrenden Flöten und Stakkato-Streichern, Trommelwirbel und buchstäblichen Pauken und Trompeten auf den Putz zu hauen. Das liefert der H120 souverän, auch bei fordernden Passagen und plötzlichen Pegelspitzen, die Dirigent Martin West aus seinem San Francisco Ballet Orchestra kitzelt. Die doch ausgewachsenen Audio Physic, die schon etwas fordernd sind, treibt der Verstärker locker an und behält dabei auch über die Bässe die volle Kontrolle. Wie klingt es nun über den Kopfhörer-Ausgang? Der Vergleich ist natürlich schwierig, weil sich bei der Kopfhörerwiedergabe prinzipbedingt das musikalische Geschehen stärker im Kopf als davor abzuspielen scheint und die physische Wirkung des Schalls auf den Körper, insbesondere beim Bass, wegfällt. Doch auch hier erleben wir mit dem angeschlossenen Focal Utopia die tolle Auflösung, Klarheit und Impulstreue des H120. Bei Moszkowskis „Fackeltanz“ klingt das Orchester zwar nicht ganz so lebendig wie über die Standlautsprecher, doch bei Yellos „Scorpio Rising“ startet nun ein anders, alternatives Klang-Kino: Jetzt wabert und schwirrt, klickt und gluckert es pur und in aller Reinheit in unserem Kopf. Wahnsinn!
Fazit
Beantworten wir direkt die Eingangsfrage: Ja! Der Hegel H120 bietet den klaren, sauberen und dynamischen Klang, der uns auch schon bei den anderen aktualisierten Vollverstärkern des Hegel-Portfolios begeistert hat. Dafür sorgt insbesondere die neue Version der SoundEngine. Sie verhilft dem Verstärker zu satten 75 Watt Leistung pro Kanal. Die Kraft und Kontrolle, die der H120 selbst im Zusammenspiel mit fordernden Schallwandlern ausübt, ist beeindruckend. Für die Klangqualität sorgt in der digitalen Sektion aber auch die überarbeitet Wandlerabteilung. Allein das Interface für den USB-Port ist bei aller Güte nicht mehr taufrisch, sodass hier die HiRes-Qualität auf PCM 96 Kilohertz/24 Bit beschränkt bleibt, während die vier (!) S/PDIF-Inputs sowie die LAN-Schnittstellen amtliche 192 Kilohertz/24 Bit beherrschen. Mit den Möglichkeiten, Musik kabelgebunden per Spotify und Apple AirPlay zu streamen, mit den variablen Analog-Anschlüssen, zu denen sogar ein symmetrischer Eingang und ein Kopfhörer-Ausgang gehören, bietet der H120 viele Ausstattungsmerkmale sogar der großen Brüder – und das zu einem deutlich günstigeren Preis. Der ist, wie der Hegel H120, ausgezeichnet.
Test & Text: Volker Frech
Fotos: Philipp Thielen
Klasse: Spitzenklasse
Preis-/Leistung: sehr gut
94 of 100
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Technische Daten
Modell: | Hegel H120 |
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Produktkategorie: | Stereo-Vollverstärker, streaming- und netzwerkfähig |
Preis: | 2.595,00 Euro |
Garantie: | 2 Jahre |
Ausführungen: | Schwarz, Weiß |
Vertrieb: | GP Acoustics, Essen Tel.: +49 201 / 170390 www.hegel.com |
Abmessungen (HBT): | 100 x 430 x 310 mm |
Gewicht: | 9,9 kg |
Leistung: | 2 x 75 W / 8 Ohm |
Maximale Samplingrate/ Auflösung | - PCM 192 kHz/24 Bit (S/PDIF, Ethernet) - PCM 96 kHz/24 Bit (USB) - PCM 48 kHz/16 Bit Apple AirPlay |
Eingänge analog: | 1 x Line symmetrisch (XLR) 2 x Line unsymmetrisch (Cinch) |
Eingänge digital: | 1 x LAN/Ethernet (RJ45) 1 x USB (Typ B) 1 x S/PDIF elektrisch (Cinch) 3 x S/PDIF optisch (TOSLink) |
Streaming-Anwendungen: | 1 x AirPlay 1 x Spotify Connect 1 x roon* *ab dem nächsten Firmware-Update |
Ausgänge analog: | 1 x Line mit variablem Pegel (Cinch) 1 x Line mit fixem Pegel (Cinch) 1 x Kopfhörer 1 x Lautsprecher |
Lieferumfang: | - Hegel H120 - Fernbedienung RC10 - 1 Batterie (CR2032) - Netzkabel - Bedienungsanleitung |
Pros und Kontras: | + sehr reiner, dynamischer Klang + treibt auch große Standlautsprecher kraftvoll an + erstklassige Verarbeitung + LAN-fähig via Ethernet-Schnittstelle + HiRes-fähig + Apple AirPlay- und Mfi (Made for iPod, iPhone, iPad)-zertifiziert + Spotify Connect + Kopfhörerausgang + Vorverstärker-Ausgang + hochwertige Fernbedienung - kein Streaming per WLAN - HiRes bis nur PCM 192 kHz/24 Bit - USB-Port nur bis PCM 96 kHz/24 Bit - keine DSD-Unterstützung |
Benotung: | |
Klang (60%): | 94/95 |
Praxis (20%): | 93/95 |
Ausstattung (20%): | 93/95 |
Gesamtnote: | 94/95 |
Klasse: | Spitzenzklasse |
Preis-/Leistung | ausgezeichnet |