Home » Tests » Aktiver Hornlautsprecher Adeus Elysium SL MKII – Paradiesischer Klang
14. Februar 2020von Volker Frech
RedakteurHornlautsprecher verströmen eine Doppel-Faszination: Ihre skulpturale Erscheinung hebt sie schon optisch von herkömmlichen Schallwandlern ab, und klanglich überwältigen sie mit ihrer unmittelbaren Ansprache und Abbildungskraft. Die Passauer Manufaktur Adeus Audiofidelity hat diese Faszination ins Großformat übertragen: Ihr imposantes Drei-Wege-Flaggschiff Elysium SL MKII beeindruckt durch ein Riesen-Horn für Höhen und Mitten, durch ein granitbewehrtes Bassmodul, das über fünf Zentner wiegt und ein Subwoofer-Ensemble mit einem Meter Membranfläche beherbergt, sowie durch eine externe Aktiv-Elektronik, die für Kraft, Kontrolle und Klanganpassung an den Raum sorgt. Auf geht’s ins Elysium!
SL – das ist die Abkürzung für Super Large, und besser könnte dieser Schallwandler kaum charakterisiert werden: Der Referenzlautsprecher der Elysium-Serie ragt 1,74 Meter in die Höhe, breitet sich mit seinem Riesenhorn auf 94 Zentimetern aus und erstreckt sich 62 Zentimeter in die Tiefe. Klar geht es kleiner, die Adeus Elysium gibt es nämlich auch in den Größen S und M, aber wir widmen uns direkt dem Referenzmodell der Passauer. Da jeder dieser Lautsprecher 312 Kilogramm auf die Waage bringt, ist allein schon der Aufbau der Elysium SL MKII ein Erlebnis. Dies übernimmt Dirk Uffelmann, Physiker, Inhaber und Entwickler von Adeus, höchstpersönlich – mit tatkräftiger Unterstützung eines Kollegen. Der Aufbau der Schallwandler beim Kunden gehört ebenso zum Komplett-Paket wie die optimale Aufstellung und die klangliche Anpassung an den Raum. Dies geschieht über eine Einmessung – und die wiederum ist möglich, weil die Adeus Elysium SL MKII als Aktiv-Lautsprecher von einer verstärkenden und klangoptimierenden Elektronik angetrieben wird. Das alles schauen wir uns jetzt an – und beginnen natürlich bei dem Hingucker dieses Schallwandlers: dem ausladenden Horn.
Der natürliche Verstärker
Strahlend weiß, makellos glänzend, sich sanft nach außen öffnend und dann wölbend – das 94 Zentimeter durchmessende, skulpturale Horn der Elysium SL MKII bannt sofort den Blick. Dieser Eindruck ist durchaus noch steigerbar, denn das aus glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigte Horn kann neben der Standardfarbe Weiß in allen RAL-Tönen und Autolack-Kolorierungen lackiert oder sogar mit Blattgoldbeschichtung ausgeführt werden. Adeus ist schließlich eine Manufaktur, jeder Lautsprecher also ein Unikat. Das Format und die Formung des Horns sind hingegen unveränderbar. Die Größe leitet sich aus der Bestimmung ab: Die SL-Version ist für Hörräume ab zwanzig Quadratmeter und möblierte Zimmer ab dreißig Quadratmeter Fläche ausgelegt. Die M- und S-Modelle der Elysium-Serie hingegen besitzen ein kleineres Horn, weil sie für Wohnzimmer mit geringerer Fläche konzipiert sind. Nun zur Formung: Die zunehmende Öffnung des Trichters, die zum Rand hin sogar eine leicht nach hinten fliehende Abrundung beschreibt, ist langjährigen Erfahrungen der Akustik geschuldet. Die Erkenntnis, dass ein Trichter als Vorsatz wie ein Verstärker wirkt, hat der Mensch schon früh gewonnen – so legt er die Hände um den Mund, damit sein gerufenes Wort lauter wird, so hat er in der Antike Amphitheater erbaut, die mit ihren runden, ansteigenden Rängen für ihre Flüsterakustik berühmt waren.
Doppel-Spezialität: Sphärisches Horn …
Diese verstärkende Wirkung hat man dann auch für den Lautsprecherbau entdeckt. Die Idee: Wenn der Trichter für einen hohen Wirkungsgrad sorgt, kann die schallwandelnde Membran dahinter klein, leicht und damit agil sein, weil sie nicht selbst für Kraft und Pegel sorgen muss. Die Verstärkung durch das Horn entsteht, weil die Luft, die durch die Membran beim Schwingen bewegt wird, nicht frei nach allem Seiten entweichen kann. Sie wird stattdessen durch den Trichter geleitet, muss also erst mal durch einen Engpass. Dadurch erhöht sich die Strömungsgeschwindigkeit der Luft. Der Effekt ist vergleichbar mit einem Wasserschlauch, bei dem man die Öffnung verengt, um einen stärkeren Wasserstrahl zu erzielen. Die ersten Lautsprecherhörner waren konisch geformt, doch die gleichmäßige Öffnung verfärbt den Klang. Deshalb wurde das konische Horn vom Exponenzialtrichter abgelöst. Er öffnet sich vom schmalen Anfang bis zum Hornmund immer stärker. Dadurch entsteht ein sanfter Übergang vom Hochdruck-Luftstrom im Horn zum Normaldruck der Umgebungsluft. Dies bewirkt einen deutlich geringer verfärbten Klang. Doch auch hier gibt es noch Optimierungspotenzial: Die Form des Horns kann man so verändern, dass es die doch sehr gerichtete Abstrahlung des Exponentialhorns vermeidet und eine kugelförmige Abstrahlung der Schallwellen ermöglicht. In dieser Weise breitet sich auch in der Natur der Schall von einer Punktschallquelle kommend aus. Deshalb wird diese modifizierte Hornform Kugelwellentrichter oder sphärisches Horn genannt.
…mit Koaxial-Treiber
Hinter diesem Horn sitzt der sogenannte Treiber. Ihm obliegt die eigentliche Schallwandlung. Dies geschieht in einer Druckkammer, die am hinteren schmalen Ende des Horns angesetzt ist. In dieser Kammer sitzt normalerweise eine kleine Membran, die das angelieferte elektrische Signal in eine mechanische Schwingung übersetzt und damit die Luft bewegt, also Schall erzeugt. In der Elysium SL MKII arbeitet aber nicht nur eine Membran hinter dem Horn, sondern gleich ein Duo: Über das Horn geschieht nämlich die Schallwandlung sowohl der Höhen als auch der Mitten. Dafür kommt ein Koaxial-System zum Zuge. Bei diesem Spezial-Lautsprecher sitzt ein kleiner Hochtöner im Zentrum eines ihn einfassenden Mitteltöners. Der Sinn: So werden Höhen und Mitten von einem Punkt aus abgestrahlt und kommen damit dem natürlichen Ideal der Punktschallquelle nah. Sowohl der Tweeter als auch der Mitteltöner sind dabei als Ringradiatoren ausgeführt. Hier schwingt eine zarte und deshalb schnell agierende, ungemein impulstreue Kunststoffmembran, die am Rand und im Zentrum fixiert ist und im beweglichen Bereich radiale Vertiefungen und Erhöhungen aufweist. Dieses Koaxial-System übernimmt alle Frequenzen ab 250 Hertz aufwärts, wobei der Mitteltöner ab 6.500 Hertz an den Hochtöner übergibt, der bis 22 Kilohertz wandeln kann. Unterhalb von 250 Hertz endet die Zuständigkeit des Horns, nun hat das große, granitöse Bass-Modul, auf dem das Horn samt Halterung montiert ist, seinen Einsatz.
In Granit gekleidet: Das Bass-Modul
Das Gros des Gewicht dieses Drei-Zentner-Lautsprechers stammt natürlich von dem massig-voluminösen Quader, in dem die Basslautsprecher untergebracht sind. Dieses Gehäuse besteht aus einem Material-Verbund mit zwei akustisch unterschiedlichen Eigenschaften. Eine solche Kombination vermindert deutlich die Neigung zu Vibrationen. Den Kern bildet hierbei ein mehrere Zentimeter starkes Birkenholz-Multiplex-Gehäuse. Dieser Holz-Korpus ist nun mit drei Zentimeter dickem Granit bekleidet. Das sorgt für die große Masse, die wiederum maßgeblich zur völligen akustischen Beruhigung der Bass-Behausung beiträgt. Allein die großen Steinplatten für die Wangen bekommt man allein kaum angehoben – auch deshalb ist es klar, dass dieser Lautsprecher erst vor Ort beim Kunden zusammengebaut wird. Der Farbton des Granits ist übrigens wählbar. Neben dem „nero assoluto“ unseres Testmodells oder dem ebenfalls dunklen „star galaxy“ ist ebenso ein helles„ kashmir white“ möglich, auch andere Granitsorten sind auf Anfrage machbar. Trotz der Masse an Granit ist das Bass-Modul kein rundherum geschlossenes Stein-Massiv, ganz im Gegenteil: Hier handelt es sich im Prinzip um ein offenes Gehäuse. Die große durchgängige Stoffblende der Front und die drei rückseitigen Teilblenden kaschieren den Blick ins Innere, wo vier mächtige 18-Zoll-Woofer ihre Arbeit verrichten. Die vier Konus-Chassis sind nicht nach vorne oder hinten ausgerichtet, sondern strahlen samt und sonders nach oben, jedes Chassis arbeitet dabei auf ein eigenes Gehäusevolumen. Diese Korpus-Kammern sind abwechselnd nach vorne und nach hinten geöffnet, wodurch der Schall ungehindert austreten kann. Diese offene Bauweise hat einen großen Vorteil: Die Luft wird ohne jeglichen Widerstand bewegt, die Membran muss also nicht gegen ein „Luftkissen“ arbeiten, wie es sich bei geschlossenen Boxen aufbaut. Dadurch gibt es bei der Schallwandlung keine Kompressionseffekte, die die Wiedergabe verfärben und verunklaren.
Ein Quadratmeter Bass-Membran
Das ist gut so, denn die vier Woofer bringen es gemeinsam auf eine imposante schwingende Fläche von rund einem Quadratmeter und erzeugen dementsprechend eine Luftverdrängung von satten zwölf Litern. Je zwei Chassis arbeiten dabei impulskompensiert, das heißt: Sie sind als Dipol geschaltet. Sie schwingen also gegenphasig und somit in entgegengesetzte Richtungen. Dadurch neutralisieren sich ihre jeweiligen Vibrationsimpulse, mit denen sie das Gehäuse zum Schwingen anregen. Auch diese Impulskompensation trägt stark zur mechanischen Beruhigung des gesamten Lautsprechers bei. So spielt das Subwoofer-Team sauber runter bis 25 Hertz. Die Dipol-Schaltung und das offene Gehäuse haben aber nicht nur Vorteile. Man handelt sich im Bassbereich auch Nachteile ein: Die Dipol-Schaltung gilt als nicht sonderlich effizient, und das offene Gehäuse verursacht einen Abfall im Tiefton, wenn die Schallwand nicht groß genug ist, um den sogenannten „akustischen Kurzschluss“ zu verhindern. Mit dem akustischen Kurzschluss bezeichnet man den Druckausgleich zwischen den Schallanteilen, die eine Membran beim Schwingen nach vorn und nach hinten abstrahlt. Diesen Druckausgleich verhindert eine möglichst große Schallwand, auf der der Speaker montiert ist. Diese Schallwand kann zur Platzersparnis auch gefaltet sein, dann sieht sie aus wie ein Schuber – und genau diese offen-gefaltete Bauart ist im Bassmodul-Gehäuse der Elysium SL MKII realisiert.
Adeus The Force: clever-kraftvoller Antrieb …
Auf der Rückseite des Bassmoduls finden wir nun noch das Anschlussterminal der Elysium SL MKII. Es bietet für jeden Bereich dieses Drei-Wege-Lautsprechers eigene Anschlüsse. Höhen und Mitten des Koaxial-Treibers sowie die Bässe der vier Tieftöner werden also getrennt angesteuert und angetrieben. Dies alles übernimmt „Adeus The Force“, eine Aktiv-Elektronik, die zugleich den Job einer Frequenzweiche und eines Vollverstärkers meistert. Diese Lösung hat bei Adeus System, die Passauer Manufaktur verzichtet bei all ihren Schallwandlern auf eine passive Frequenzweiche, wie sie in konventionellen Lautsprechern verbaut wird. Damit ist der Signalweg frei von jenen klangbeeinflussenden Widerständen, Spulen und Kondensatoren, die eine passive Weiche ausmachen. „Adeus The Force“ ist der obligate Spielpartner der Elysium SL MKII und adelt sie zum Aktiv-Lautsprecher. Er orchestriert das perfekte Zusammenspiel der Hornsektion und der Bass-Fraktion, was auf passivem Wege so nicht erreichbar wäre. Er sorgt zudem mit sechs eingebauten Verstärkern für einen kraftvollen und genau abgestimmten Antrieb: Für die Höhen liefert er 100 Watt, für die Mitten 280 Watt und für die Bässe 800 Watt – pro Seite, versteht sich. Wem das nicht genügt, der kann das vorverstärkte Signal abgreifen und an externe Leistungsverstärker schicken – wahlweise symmetrisch über XLR-Outputs oder unsymmetrisch über Cinch-Ausgänge. So oder so muss „The Force“ aber erst einmal gefüttert werden – und hierzu offeriert er eine vielseitige Eingangssektion. Analogseitig bietet er einen symmetrischen und vier unsymmetrische Line-Eingänge, die Digitalsektion umfasst drei elektrische S/PDIF-Inputs, die die Zuspielung von HiRes-Files bis 192 Kilohertz/24 Bit erlauben, sowie drei optischen S/PDIF-Eingänge, die 96 Kilohertz/24 Bit akzeptieren. Auf diese Abtastfrequenz von 96 Kilohertz werden alle eingehenden Signale, sei es analog, sei es digital, für die nun folgende Klanggestaltung des digitalen Soundprozessors getrimmt.
… mit Klanganpassung an den Raum
Dank des DSP von The Force kann die Elysium SL MKII soundoptimiert werden. Dafür stehen pro Kanal sechs Equalizer zur Verfügung, die eine präzise Anhebung oder Absenkung einzelner Frequenzareale erlaubt. Hinzu kommen ein Hochpass und ein Tiefpass für eine breitbandige Frequenzveränderung, diese beiden Filter können zudem in ihrer Charakteristik verändert werden. Überdies ist der Lautstärke-Level jedes Kanals einstellbar. Ebenso kann jeder Kanal mit einer Signalverzögerung versehen werden. Mit diesem Delay lassen sich Laufzeitunterschiede ausgleichen, um eine stimmige, homogene Wiedergabe zu erreichen. Mit diesen Werkzeugen lässt sich der Klang nach den eigenen Vorlieben verändern. Vier Speicherplätze bieten dabei die Möglichkeit, verschiedene Klangpresets anzulegen. Das ist sinnvoll, wenn man etwa ältere Aufnahmen hören möchte, die in punkto Sound zu wünschen lassen und harsch klingen. Mit einer Computer, spezieller Software und Hardware für die Einmessung kann man die Elysium SL zudem auf den Raum hin optimieren. Der Raum hat bei der Wiedergabe den größten Einfluss auf den Klang: In karg möblierten Zimmern klingt es höhenbetont bis grell; ein mit Teppichen, Vorhängen und Sofa bewehrtes Ambiente hingegen lässt den Klang etwas dumpf erscheinen. Zudem hat fast jeder Raum die unangenehme Unart, einen bestimmten Bassbereich zu sehr zu betonen. All das lässt sich über eine Klangkorrektur ausgleichen – und genau die vollführt Adeus-Chef Dirk Uffelmann nun in unserem Testraum.
Aufbau und Einmessung
Dafür muss die Elysium SL MKII natürlich erst einmal optimal stehen. Den Standort überlegt man sich am Besten vor dem Aufbau der beiden Schallwandler, danach ist diesem 312 Kilogramm wiegenden Lautsprecher doch eine gewisse Immobilität zueigen. Der Aufbau gehört zum Komplett-Service von Amadeus, und so verfolgen wir fasziniert, wie Dirk Uffelmann und sein Mitarbeiter das Elysium erschaffen – angefangen von der Montage der Granitbekleidung über das Aufsetzen und fixieren der Hornkonstruktion bis hin zur perfekten Ausrichtung. Die ist erreicht, wenn man am Hörplatz sitzend gerade noch die Innenseiten der beiden Bassmodule sieht. Dann stimmt die Einwinklung. Zuvor sollte man einen Wandabstand von rund 50 Zentimetern beherzigt haben, das ist der Minimalabstand, der für eine saubere Wiedergabe nötig ist. Nun beginnt die Einmessung. Dafür erzeugt Uffelmann an seinem Laptop mithilfe der Einmess-Software Referenzsignale, sendet sie an den USB-Port von „The Force“, der die Signale amplifiziert, schließlich werden sie über die Elysium SL MKII abgestrahlt. Ein Messmikrofon, das etwa einen Meter vor dem Schallwandler positioniert ist, nimmt diese Wiedergabe auf und sendet sie über ein Audio-Interface an das Laptop. Hier vergleicht die Software das aufgenommene Signal mit dem Referenzsignal. So lässt sich überprüfen, in welchen Frequenzbereichen der Raum den Klang deformiert. Hier sorgt Dirk Uffelmann über die Software nun für eine Korrektur, bis der Klang ausgewogen ist – und nun, nach getaner Arbeit, kommt der Spaß.
So klingt die Adeus Elysium SL MKII
Mt der Elysium SL MKII haben wir auch in unserem großen Hörraum so ziemlich die geometrisch sinnvolle Grenze erreicht, soll heißen: Kleiner sollte das Zimmer, in dem dieser voluminöse Schallwandler steht, nicht sein, sonst wird es mit dem Abstand von den Schallwandlern zum Hörplatz knifflig. Bei uns ist aber alles noch im grünen Bereich, das merken wir gleich beim ersten Teststück. Wir spielen über unseren SACD-Player Oppo UDP-203 zum Auftakt Norma Winstones wunderschöne Jazzballade „Just Sometimes“. Der melancholische Song beginnt mit einem Klavier-Intro, der Pianist Glauco Venier spielt auf seinem Flügel eine sanfte Folge einschmeichelnder Akkorde – und diese Töne perlen mit einer Klarheit und Präsenz in unseren Raum, dass wir sofort die reale Umgebung vergessen und von dieser Aufnahme eingehüllt sind. Hier ist sie schon zu hören, diese Abbildungskraft, die Hörnern zu eigen ist. Aber irgendwie schwebt die Musik leicht über uns. Wir sitzen auf unserem Sofa schlicht zu tief. Die optimale Ohrhöhe beträgt bei diesem großen Lautsprecher etwa 1,10 bis 1,20 Meter. Also: Sofa raus, höherer Sessel rein – und jetzt hat alles seine Richtigkeit: Venier sitzt an seinem Flügel rechts vor uns, wir nehmen jeden Anschlag wahr, können geradezu die Finger über die Tasten wandern sehen. Dann setzt Norma Winstone ein – und die Grande Dame des europäischen Jazz-Gesangs zieht uns mit ihrer sanften, betörenden Stimme geradezu in ihren Bann: „Just sometimes I catch a glimpse of something in the stranger, you’re always somewhere near“ singt Winstone, und es steht außer Frage, dass wir gemeint sind: Die Chanteuse richtet sich an uns. Hier erleben wir diese wunderbare Unmittelbarkeit, diese direkte Ansprache, mit der Hörner insbesondere Stimmen wiedergeben: Dieser Wirkung kann man sich nicht entziehen, wir hören gebannt auf jedes Wort, das Norma Winstone an uns richtet.
Wirkmacht der Wiedergabe
Wie perfekt diese Illusion ist und wie groß die Wirkmacht der Wiedergabe ist, merken wir, als wir den sogenannten „Sweet Spot“ verlassen, also den Hörplatz, auf den die Lautsprecher ausgerichtet sind. Wir setzen uns auf den Sessel daneben, um auch andere Mithörende in den Genuss dieser Wiedergabe kommen zu lassen. Norma Winstone singt zwar immer noch in unserem Raum – aber nun nicht mehr für uns, sondern für unseren Nachbarn im Sweet Spot. Ganz ehrlich: Da kommt ein wenig Eifersucht auf. Also wechseln wir wieder die Plätze, und jetzt ist alles wieder gut. Ja, diese Wiedergabe hat ein gewisses Suchtpotenzial. Der kleine Sweet Spot resultiert übrigens aus der extremen Stimmigkeit, mit der die sechs Chassis des Lautsprechers kooperieren und dadurch jede Elysium einen völlig kohärenten Schall abstrahlt. Deshalb registriert das Ohr sofort, wenn zwischen dem Hörplatz und den beiden Lautsprechern ein ungleicher Abstand herrscht, während dies bei weniger präzisen Lautsprechern nicht so stark auffällt. Während unserer Platztausch-Aktion hat übrigens Klaus Gesing auf seiner Bassklarinette eingesetzt. Auch das ist ein Erlebnis: Wir hören zuerst die Anblasgeräusche, weil Gesing, der livehaftig links vor uns steht, erst ganz leise spielt und die Töne des Klaviers doppelt. Ein toller Effekt, der uns in Spannung und Erwartung versetzt – und dann tritt Gesing endlich solistisch hervor, er unterlegt den Gesang mit seinem selten zu hörenden Instrument, das über den typischen Klarinettenton hinaus auch völlig ungewöhnliche Klänge in ungeahnten Basslagen liefern kann. Erstaunlich! Auch hier hören wir gefesselt zu, weil die Mischung aus Exotik des Instruments und Intensität der Wiedergabe unwiderstehlich ist.
Exzellente Dynamik, grandiose Kraft
Wenn der Musikgenuss schon im überschaubaren Rahmen eines Trios so groß ist, wie verhält es sich dann im orchestralen Großformat? Die Antwort liefert uns die Wiedergabe des „Allegro Agitato“ aus George Gershwins Klavierkonzert in F-Dur. Dieser Satz beginnt mit einem Tutti des St. Louis Symphony Orchestra – und die geballte Kraft des Klangkörpers lässt uns zusammenzucken, denn die Elysium SL MKII haut uns das Fortissimo mit einer atemberaubenden Ansatzlosigkeit um die Ohren. Dabei kennen wir diese Aufnahme doch und sollten nicht überrascht sein! Wir haben allerdings die Kraft unterschätzt, mit der die Kombination aus Horn, Bassmodul und sechskanaligem Verstärker zu Werke gehen kann. Ja, wir haben ganz gut aufgedreht, wir wollten es ja wissen, aber auf diese Mischung aus Wucht und Spritzigkeit waren wir nicht so wirklich gefasst. Die Chassis müssen dafür perfekt auf die Impulse des Musiksignals reagieren – und dies gelingt der Elysium SL MKII exzellent. Bei diesem Konzert-Allegro kann sie mit ihrer ausgezeichneten Dynamikfähigkeit besonders brillieren: Der rasante Satz ist rhythmusgetrieben, die Bläsersektion treibt den Satz mit zackigen, ansteigenden Tonkaskaden an, die Geigen antworten mit schnellen, scharf abgesetzten Stakkato-Passagen. Auf dem Höhepunkt jeder Steigerung liefern Pauken und Schlagwerk einen Wumms, der durch alle Glieder fährt. Selbst der solistische Klavierpart ist hochperkussiv: Kirill Gersteins wieselflinke Finger reiten immer wieder vollgriffige Tonattacken. Nach jedem Fortissimo senken der Solist und das Orchester ihre Lautstärke, um dann umso wuchtiger die nächste Entladung auszukosten. Dieses Auf und Ab ist mit der Elysium SL MKII ein echtes Fest, weil sie neben der Grobdynamik auch die ganz feinen Abstufungen beherrscht und trotz des ständigen Hin und Hers des musikalischen Geschehens den Überblick bewahrt: Wir hören ein wunderbar transparentes und körperhaftes Orchester, wir können mit unseren Ohren durch die Reihen der einzelnen Musikergruppen spazieren. Auch kleinste Petitessen, etwa die kurzen Einwürfe des ganz hinten positionierten Xylofons, sind trotz des dichten Klanggeschehens auf der imaginären Bühne klar und deutlich herauszuhören. Chapeau! Zwischenzeitlich verlassen wir kurz den Hörraum – und merken erst jetzt, auf welch hoher Lautstärke wir gerade testen. Hier zeigt sich die Elysium abermals als Verführerin: Sie liefert auch bei diesem hohen Pegel eine anstrengungslose, entspannte, kompressionsfreie Wiedergabe.
Mächtigkeit und Leichtigkeit: das Bass-Paradox
Diese Unbegrenztheit gilt auch für den Bass. Das stellen wir insbesondere bei Kari Bremnes fest, die norwegische Sängerin und Songwriterin serviert mit ihrem Song „Det Vi Har“ ein produktionstechnisches Schmankerl. Der elektroniksatte Song beginnt mit einem sich ständig wiederholenden Synthesizer-Pattern, über das sich nach und nach weitere Sound-Schichten legen, dazu gibt ein künstliches Klacken den zügigen Takt vor. Wir haben diesen Song schon etliche Mal eingesetzt, aber in dieser Intensität haben wir dieses Intro noch nicht gehört. Das feindynamische An -und Abschwellen dieses Klangteppichs ist uns so noch nicht aufgefallen. Während wir von diesem Pattern fast ein wenig hypnotisiert werden, setzt Karim Bremnes mit ihrem klaren, ausdrucksstarken Gesang ein. Auch hier erleben wir wieder diese emotionale Sogwirkung, mit der der Hornlautsprecher Stimmen unwiderstehlich macht. Aber fast noch mehr beeindruckt uns der nun einsetzende Bass: Eine schnelle Tieftonfolge drückt uns auf Trommelfell und Magen. Diese fünf Töne versetzen uns ins Staunen: Der Bass ist abgrundtief, voluminös und mächtig, zugleich völlig klar, konturiert und anstrengungslos. So vereint er einen eigentlichen Widerspruch: Mächtigkeit und Leichtigkeit. Dieses Bass-Paradox ist so beeindruckend, dass wir den Song gleich nochmal hören – und jetzt nicht nur den Bass bewundern, sondern auch mal auf das weitere Klanggeschehen achten. Die zahlreichen Sounds, Geräusche und Perkussion-Elemente, die in diesem Track auftauchen, sind mit einem tollen Hall und Echo veredelt, sie umschwirren uns, verlassen die realen Grenzen unseres Raums und verschwinden schließlich in einer irrealen weiten Ferne. Wir haben längst die Augen geschlossen, um in diesen akustischen Kunstkosmos einzutauchen und ein wunderbar intensives Klangerlebnis zu genießen.
Fazit
Die Adeus Elysium SL MKII bietet die Faszination der Hornwiedergabe in Exzellenz: Durch die Unmittelbarkeit der Ansprache haben insbesondere Stimmen und Soloinstrumente eine geradezu magische Anziehungskraft. Auch das Abbildungsvermögen und die Transparenz sind atemberaubend. Die Plastizität der Musiker und die Darstellung des musikalischen Geschehens in Breite, Höhe und Tiefe sind herausragend. Hinzu kommen eine ungeheure Impulstreue, Dynamikfähigkeit und Pegelstärke. Dies führt zu einer Wiedergabe, die bis hin zum tiefen, voluminösen Bass völlig anstrengungsfrei, entspannt und natürlich ist. In den Höhen und Mitten gelingt dies einerseits durch einen koaxialen Treiber mit Ringradiatoren, andererseits durch den sphärischen Hornvorsatz. In den Bässen erreichen dies vier 18-Zoll-Woofer, die im Granitstein-bewehrten Bassmodul paarweise als Dipol geschaltet und damit Impulskompensiert sind und in einem offenen Gehäuse mit gefalteter Schallwand agieren. Alle Chassis werden von einer externen, aktiven Elektronik angetrieben. Ihre Verstärker sorgen mit 2.360 Watt für satteste Power, ihr Soundprozessor ermöglicht die Optimierung des Klangs und die Anpassung an den Raum. So kann dieser aktive Drei-Wege-Lautsprecher die volle Wirkmacht seiner Wiedergabe entfalten – und so vereint der High End-Schallwandler optische und akustische Imposanz. Die raumgreifende, pro Seite 312 Kilogramm wiegende Adeus Elysium SL MKII ist nicht nur der schwerste Lautsprecher, den wir bislang in unserer Redaktion zum Test hatten, sondern auch einer der beeindruckendsten: Die Elysium liefert einen paradiesischen Klang.
Test & Text: Volker Frech
Fotos: Philipp Thielen
Klasse: Referenzklasse
Preis-/Leistung: angemessen
99 of 100
96 of 100
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Technische Daten
Modell: | Adeus Audiofidelity Elysium SL MKII |
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Produktkategorie: | Standlautsprecher |
Preis: | auf Anfrage |
Garantie: | im gesetzlichen Umfang |
Ausführungen: | - Horn: Weiß (gegen Aufpreis alle RAL-Farben, Autolacke oder eine Blattgoldbeschichtung möglich) - Gehäuse: Granit („kashmir white“, „nero assoluto“ oder „star galaxy“; weitere Granitsorten auf Anfrage möglich) |
Vertrieb: | authentic sound, Worms Tel.: +49 6241 4960238 www.authentic-sound.com |
Abmessungen (HBT): | - Bassmodul: 930 x 560 x 560 mm - Lautsprecher inkl. Horn: 1740 x 940 x 602 mm |
Gewicht: | ca. 312 kg / Stück |
Prinzip: | aktiver Horn-/Konus-Lautsprecher, 3-Wege, offenes gefaltetes Gehäuse |
Hochmitteltöner: | 1 x 50 mm (koaxialer Horntreiber mit Ringradiatoren aus Polyester) mit sphärischem Hornvorsatz |
Tieftöner: | 4 x 457 mm (Konus-Membran aus verstärktem, luftgetrocknetem Papier) |
Frequenzbereich: | Frequenzbereich: 25 Hz - 25 kHz (-3 dB) |
Übergangsfrequenzen: | 250 Hz, 6.500 Hz |
Wirkungsgrad: | > 110 dB / 1 W / 1 m |
Leistung des Verstärkers: | - Hochton: 2 x 100 W / 4 Ω - Mittelton: 2 x 280 W / 4 Ω - Tiefton: 2 x 800 W / 4 Ω |
Eingänge des Verstärkers (analog) | - 1 x stereo Line symmetrisch (XLR) - 4 x stereo Line unsymmetrisch (Cinch) |
Eingänge des Verstärkers (digital) | - 3 x elektrisch/koaxial (Cinch), bis 192 kHz/24 Bit - 3 x optisch (Toslink), bis 96 kHz/24 Bit |
Ausgänge des Verstärkers: (analog) | - 6 x mono Preout symmetrisch (XLR) - 6 x mono Preout unsymmetrisch (Cinch) |
Empfohlene Raumgröße: | - reiner Hörraum: ab 20 qm - Wohnraum: ab 30 qm |
Lieferumfang: | - Adeus Elysium SL MKII (Lautsprecher) - Adeus The Force (Soundprozessor / Verstärker) - Fernbedienung - Vollservice: Lieferung, Aufbau, Einmessung |
Pros und Kontras: | + exzellent dynamische, räumliche Abbildung + kraftvoller Klang mit voluminösem Bass + kompressionsfreie, anstrengungslose Wiedergabe + ausgelagerte Aktiv-Elektronik für optimale Ansteuerung der Chassis + koaxialerTreiber für Punkschallquellen-artige Abstrahlung der Höhen und Mitten + Horn-Vorsatz für natürliche kugelwellenartige Abstrahlung der Höhen und Mitten + DSP für Klangoptimierung und Raumkorrektur + Fertigung nach Wunsch des Kunden: Horn in allen RAL-und Automotiv-Farben erhältlich, Verkleidung in verschiedenen Granitsorten möglich + Vollservice: Lieferung, Aufbau, Einmessung der Lautsprecher - großer Platzbedarf - hohes Gewicht - kleiner Sweet Spot |
Benotung: | |
Klang (60%): | 99/100 |
Praxis (20%): | 96/100 |
Ausstattung (20%): | 99/100 |
Gesamtnote: | 98/100 |
Klasse: | Referenzklasse |
Preis-/Leistung | angemessen |