Home » Tests » Kopfhörer HEDD HEDDphone – Holografische Realität
19. September 2021von Volker Frech
RedakteurWeltpremiere: Als erster Kopfhörer schallwandelt der HEDDphone exklusiv mit einem AMT. Dieser Air Motion Transformer sorgt bislang in zahlreichen Lautsprechern für atemberaubende Offenheit, Transparenz und Dynamik im Hochton. Nun liefert er dank eines cleveren Kniffs auch Mitten und Bässe – und verblüfft mit dieser Full-Range-Lösung im Hörtest.
Kann das klappen? – Das ist unser erster Gedanke, als wir das Konzept des HEDDphone studieren: Sowohl die Bauweise als offener Kopfhörer als auch das Schallwandler-Prinzip des AMT verheißen ein Klangbild, das mit Klarheit und Detailreichtum brilliert, mit Dynamik und Räumlichkeit glänzt. Darüber hinaus stehen offene Kopfhörer für eher straffe Mitten und schlanke Bässe, und AMT-Chassis werden wegen ihrer Filigranität fast ausschließlich für den Hochton eingesetzt. Kann das in Summe einen amtlichen Full-Range-Kopfhörer ergeben? Die Antwort lautet ja, weil hinter HEDD Klaus Heinz steht: Der renommierte Schallwandler-Spezialist hat sich seit vierzig Jahren dem Lautsprecherbau verschrieben und dabei dem Air Motion Transformer (AMT) bei Tonstudio-Monitoren und HiFi-Lautsprechern zum Durchbruch verholfen. Auf diesen von ihm weiterentwickelten Schallwandler hat Heinz von Anfang an bei seiner früheren Firma Adam Audio gesetzt – und er bleibt diesem beschleunigten Bändchen auch bei seiner heutigen Berliner Manufaktur Heinz Electrodynamic Designs (HEDD) treu.
Audiophile Ziehharmonika
Beschleunigtes Bändchen? Der Begriff führt ein wenig in die Irre, denn beim HEDDphone sorgt eine zarte Folie für den Klang. Sie ist wie eine Ziehharmonika in Falten gelegt und mit mäandrierenden Leiterbahnen überzogen. Diese Membran wird nun zwischen den Polen eines permanenten Magntetfelds positioniert. Fließt durch die Leiterbahnen der Folie Strom, nämlich das Musiksignal, bewegt sich die Membran wie eine Ziehharmonika: Sie zieht sich zusammen und geht dann wieder auseinander. Die Luft zwischen den Membran-Lamellen wird hierbei in Richtung des Hörers gepresst. Diese Luftbewegung geschieht wesentlich flotter als bei normalen vor- und zurückschwingenden Membranen: Die Geschwindigkeitsübersetzung beträgt beim AMT 1:4. Weil die Folie des AMT zudem sehr leicht ist, agiert er er überaus impulstreu und präzise. Dies resultiert in einer frischen, transparenten, hochauflösendes Wiedergabe. Damit hat sich der AMT als exzellenter Hochtöner etabliert. Für Mitten hingegen ist er bislang nur bedingt einsetzbar und für Bässe gar nicht zu gebrauchen gewesen.
Clevere Weiterentwicklung
Das hat Klaus Heinz nun geändert: Er hat die Faltenbreite und -tiefe variiert und damit die Geometrie der Membran modifiziert. Mit dieser „Variable-Velocity-Transform“ (VVT) getauften Technologie gelingt es HEDD, den AMT für den gesamten Frequenzbereich einzusetzen. Er schallwandelt im HEDDphone linear von abgrundtiefen zehn Hertz bis hin zu stratosphärischen 40 Kilohertz. Das geht sowohl bei den Bässen als auch bei den Höhen weit über den menschlichen Hörbereich hinaus. Aufgrund der Vergrößerung und Vertiefung der Membranfalten hat der Schallwandler nun aber einen geringeren Wirkungsgrad. Er braucht deshalb einen kräftigen Kopfhörerverstärker. Für den Anschluss am Smartphone ist der HEDDphone also nicht gemacht. Doch als offener Kopfhörer ist er ohnehin nicht für den mobilen Einsatz gedacht: Die Muscheln bieten keine Geräuschabschirmung von der Umwelt. Wegen der Durchlässigkeit kann die Membran aber ohne den Widerstand eines Luftpolsters schwingen, welches in geschlossenen Kopfhörern entsteht. Die offene Bauweise ermöglicht also einen offenen Klang ohne Kompressionseffekte.
Imposanter Auftritt
Offen Bauart, zarte Membran – diese Filigranität der Technik kontrastiert die Massivität des Designs. Der HEDDphone tritt mit ziemlicher Wuchtigkeit auf: Seine Muscheln sind sieben Zentimeter stark, elf Zentimeter hoch und neun Zentimeter breit. Die Größe ist vor allem dem AMT geschuldet. Er bedingt auch die quaderförmige Geometrie der Kapseln. Sie erfährt aber durch die Abrundung der Seiten und Kanten eine optische Geschmeidigkeit. Zudem ist der HEDDphone ohrumschließend. Dies begründet ebenfalls eine gewisse Größe. Die Over-Ear-Ausführung bürgt für einen höheren Tragekomfort, weil die Ohren – anders als bei ohraufliegenden Kopfhörern – nicht einem ständigen mechanischen Druck ausgesetzt sind. Diesen Komfort erhöht der Kopfhörer durch opulente, sehr weiche Memory Foam-Polster, die mit einem wunderbar weichen Proteinleder überzogen sind. So schmiegt sich der HEDDphone mit einem überaus angenehmen Hautgefühl an den Kopf an. Das ist gut so, denn der HEDDphone hat auch ein ziemliches Gewicht: Er beschwert den Kopf mit 740 Gramm.
Polster und Doppel-Lager für den Tragekomfort
Deshalb hat der HEDDphone auch einen kräftig gepolsterten und weich mit Proteinleder sowie Alcantara bekleideten Bügel. Den Kern des Bügels bildet ein Metallband, das einerseits flexibel federt, andererseits für den definierten Anpressdruck der Muscheln sorgt. Das Band ist für die Anpassung an den Kopf mit feinen Rastungen längenverstellbar. Für die Anschmiegsamkeit sorgt auch die doppelte Lagerung der Muscheln. Die matten, fein gebürsteten Aluminiumeinfassungen der Kapseln sind mit dem Kopfband jeweils durch eine Einpunkt-Aufhängung verbunden. Dies ermöglicht die horizontale Beweglichkeit der Muscheln. Für die vertikale Anpassungsfähigkeit sorgt jeweils eine Zwei-Punkt-Lagerung im filigranen Rahmen. Diese Klasse-Konstruktion rundet die Top-Qualität der Materialien sowie die vorzügliche Verarbeitung, die in Handarbeit geschieht, ab. Dazu passen die robusten vierpoligen Mini-XLR-Anschlüsse für das zwei Meter lange, abnehmbare Kabel. Es ist auf niedrigsten Widerstand getrimmt, hochgradig geschirmt und mit einer haptisch angenehmen Stoffmantelung gegen Mikrofonie-Effekte gefeit. Es mündet wahlweise in einen unsymmetrisch großen Klinkenstecker oder einen symmetrischen XLR-Stecker.
Der Hedd HEDDphone in der Praxis
Im ersten Moment des Aufsetzens sind Größe und Gewicht des HEDDphone doch außergewöhnlich. Doch dank der gute Polsterung, Lagerung und Größenanpassbarkeit sitzt er überraschend komfortabel, selbst über eine mehrstündige Tragezeit hinweg. Da der HEDDphone einen kraftvollen Vorverstärker braucht, schließen wir ihn an Lehmannaudio Linear II an. Dieser Phono-Amp bietet eine Gainanhebung, falls sein Volumenpoti im Normalbetrieb bis zum Rechtsanschlag aufgedreht werden muss. Mit dem HEDDphone sind wir wirklich in dieser Pegel-Region, allerdings bereits mit satter Lautstärke – und was wir hören, ist phänomenal. Wir haben „Caverna Magica“ des New Age-Musikers und Harfen-Virtuosen Andreas Vollenweider gewählt, der Track beginnt wie ein Hörspiel: Ein Mann und eine Frau entdecken den Eingang einer geheimnisvollen Höhle. Dank des HEDDphone sind wir quasi der unsichtbare Dritte, der das Paar auf hörbarem Schritt und Tritt bei dieser Entdeckungstour begleitet: Grandios, wie intensiv wir mit dem Betreten der Höhle auch die akustische Veränderung des Ambientes erfahren!
Immersives Raumerlebnis
Wir wähnen uns wirklich in dieser magischen Grotte, weil die geflüsterten Worte des Paares und ihre Schritte beeindruckend real von den Wänden reflektiert werden. Was für ein immersives Raumerlebnis! Dieses grandiose 3D-Hörspiel setzt sich mit den links und rechts neben uns herunterfallenden Wassertropfen fort. Sie bilden schließlich den Rhythmus für die nun einsetzende Musik. Wir haben diesen Soundtrack noch einmal über einen Referenzkopfhörer mit dynamischen Treibern gehört – der Unterschied ist frappant: Der HEDDphone rückt die Schallereignisse weiter von uns entfernt in den hörbaren Raum statt sie uns nahe vor den Kopf zu setzen. Zudem sind gerade die Höhen homogener im Gesamtklang eingebettet. Das Hören ist so einfach entspannter – und trotzdem sind alle Details da. Diese Eindrücke behalten auch für die Musikwiedergabe Gültigkeit: Die Harfe, die Vollenweider kunstvoll mit mehrstimmiger Zupftechnik spielt, steht zwar im Zentrum der Musik, ist aber angenehm ins gesamte musikalische Geschehen integriert.
Offenheit und Frische
Zur Harfe stoßen nämlich mit Flöte, Mundharmonika, Oud, Guzheng, E-Gitarre, Keyboards, Percussion und Schlagzeug zahlreiche Instrumente – und immer wieder auch Gesang. Daraus hat Vollenweider einen mitunter dichten Klangteppich gewoben. Trotzdem haben wir einen glasklaren Durchblick. Die Transparenz ist atemberaubend: Alle Instrumente sind exzellent herauszuhören, und zwar mit jeder Nuance ihres jeweils charakteristischen Klangs und mit jedem kleinen Spielgeräusch, das dem jeweiligen Instrument zueigen ist. Der HEDDphone glänzt hier mit seinem Informationsreichtum. Er macht dem Ruf, den AMT-Treiber haben, alle Ehre: Durch die ultraflinke und megapräzise Schallwandlung klingt die Wiedergabe herrlich offen und frisch. Das zahlt sich auch bei der Percussion und den Drums aus: Die Schläge auf die Trommelfelle, die Becken, die Steel Drums, ebenso die Handschläge auf die Congas haben eine tolle Dynamik. So strotzt die Rhythmusfraktion geradezu vor Vitalität. Das ist überaus animierend: Wir merken am Grinsen der Redaktionskollegen, dass wir offenbar längst im Kopfnick-Modus sind.
Verblüffender Bass
Eins überrascht und nun aber wirklich: die Basswiedergabe. Der HEDDphone liefert eine Tiefe und ein Volumen, die wir aufgrund der offenen Bauweise und des AMT-Wandlungsprinzips nicht erwartet hätten. Diese Basspotenz verblüfft uns auch bei allen anderen Musikstücken, die wir zum Quercheck heranziehen – etwa „Outbreak“ von Dennis Chambers: Der Schlagzeug-Großmeister wird bei dieser Fusion-Nummer kongenial von Gary Willis am Bass unterstützt – und sein Fünfsaiter liefert hier auch bei den wilden Passagen einen richtig amtlichen, aber definierten Schub. Durch die AMT-Weiterentwicklung gelingt dem HEDDphone aber ebenso ein üppigerer Mittenbereich. Auch hier sind offene Kopfhörer sowie AMT-Treiber für eine eher schlanke bis drahtige Wiedergabe bekannt. Der HEDDphone bewahrt diese Knackigkeit, punktet aber mit sattem Punch. Das fällt insbesondere bei der Schlagzeug-Wiedergabe auf: Chambers‘ komplexes, aber stets groovendes Drumming-Feuerwerk wird so zum Hochgenuss. Doch auch das Keyboard, eh ein Instrument, das für Klangfülle steht, liefert so bei den Layer-Sounds einen hochflorigeren Klangteppich.
Konzertsaal-Erlebnis
Mit der Weiträumigkeit seiner Wiedergabe beeindruckt uns der HEDDphone auch im Konzertsaal: Das Bayerische Staatsorchester unter Zubin Methta führt das Vorspiel der „Walküre“ von Richard Wagner auf. Wo uns andere Kopfhörer direkt vor das Orchester setzen, erleben wir den Klangkörper hier so, als säßen wir im Nationaltheater München auf den besten Plätzen – aber eben nicht auf der Bühnenkante. Das Orchester nimmt eine beachtliche Breite und Tiefe ein, tritt aber trotzdem als integrer Klangkörper auf. Wir können durch die Transparenz des HEDDphone die einzelnen Stimmgruppen heraushören. Wir vernehmen bei den Streichern jeden Bogenstrich, trotzdem ist das Reiben des Rossshaars an den Saiten kein harsches Kratzen. Stattdessen erfahren wir auch im großorchestralen Format wieder diese tonale Homogenität. Selbst die Kontrabässe, die bei Orchestereinspielungen oft unterrepräsentiert sind, kommen beim HEDDphone zu ihrem Recht. Im Walkür-Vorspiel klingt deshalb auch das Bedrohliche mit – das so ankündigte kommende Unheil ist für uns ein Erlebnis-Glücksfall.
Fazit
Die Weiterentwicklung des AMT zum Full Range-Treiber zahlt sich aus. Im HEDD HEDDphone sorgt er wie erwartet für atemberaubende Offenheit und Transparenz, Dynamik und Detailreichtum im Hochton. Doch überdies punktet der AMT hier mit sattem Punch der kräftigen Mitten – und er verblüfft geradezu mit dem Volumen und der Tiefe seines Basses. Dank der offenen Bauweise des Kopfhörers ist der Klang zudem frei von Kompressionseffekten. Die daraus resultierende Wiedergabe erweist sich als überaus homogen, selbstverständlich und natürlich. Das ermöglicht, wenn man sich mit der Größe und dem Gewicht des Kopfhörers angefreundet hat, ein langes, entspanntes Hören. So glänzt der HEDDphone über den gesamten Frequenzgang hinweg mit einer exzellenten räumlichen Abbildung und einer ungemein plastischen Darstellung – und erschafft so eine geradezu holografische Realität.
Test & Text: Volker Frech
Fotos: Philipp Thielen
Klasse: Referenzklasse
Preis-/Leistung: sehr gut
97 of 100
96 of 100
97 of 100
Technische Daten
Modell: | Hedd HEDDphone |
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Produktkategorie: | Kopfhörer |
Preise: | 1.699,00 Euro |
Garantie: | 2 Jahre / 3 Jahre nach Registrierung |
Ausführungen: | Schwarz/Silber |
Vertrieb: | HEDD Audio GmbH, Berlin Tel.: +49 30 72013470 https://hedd.audio |
Gewicht: | - 740 g (ohne Kabel) - 825 g (mit Kabel) |
Prinzip: | - Air Motion Transformer - offene Bauweise - ohrumschließend (over ear) |
Treiber: | 2 x AMT (ca. 70 x 50 mm) |
Impedanz: | 42 Ohm |
Frequenzgang: | 10 Hz - 40 kHz |
Empfindlichkeit: | 87dB @ 1mW |
Anschluss: | Kabel (beidseitig geführt, abnehmbar, Mini-XLR auf 6,35 mm-Klinke oder XLR) |
Lieferumfang: | - Hedd HEDDphone - Stereo-Kabel (2,10 m), wahlweise HPC1 (4-Pin-Mini-XLR auf 6,35 mm-Klinke) oder HPC2 (4-Pin-Mini-XLR auf XLR) - Aufbewahrungs-Box - Anleitung (Englisch) |
Pros und Contras: | + große Offenheit und Transparenz + exzellente räumliche Abbildung + hervorragende plastische Darstellung + homogene, natürliche Wiedergabe + ausgezeichnete Dynamik + amtlicher Bass + Größenanpassung mit feiner Abstufung + Polster schmiegen sich perfekt an den Kopf an + hervorragende Verarbeitung + mikofoniearmes Kabel + abnehmbares Kabel + robuste 4-Pin-Mini-XLR-Steckverbindung - Größe - Gewicht |
Benotung: | |
Klang (60%): | 97/100 |
Praxis (20%): | 96/100 |
Ausstattung (20%): | 97/100 |
Gesamtnote: | 97/100 |
Klasse: | Referenzklasse |
Preis/Leistung | gut |