Home » Tests » KEF Mu7 – Fantastisch klingender Bluetooth-Kopfhörer mit ANC und Mut zum Minimalismus
1. Februar 2023von Dominik Schirach
Mit dem Mu7 präsentiert KEF seinen ersten Over-Ear-Kopfhörer seit langer Abstinenz. Der besticht durch sein zeitloses Design, ein geringes Gewicht und einen hohen Tragekomfort. Dazu kommen Noise Cancelling-Funktionen und ein hohes Klangversprechen. Da horcht die Audio-Welt natürlich auf. Auch wir, weshalb wir uns den mit 399 Euro zu Buche schlagende Kopfhörer mal zum Test bestellt haben.
Wenn es um hochwertige und fantastisch klingende Lautsprecher geht, ist auf die britische Audio-Manufaktur stets Verlass. Inzwischen bietet KEF ein großes Segment an passiven und aktiven Schallwandlern. Das mobile Segment ist aktuell mit dem In-Ear Kopfhörer Mu3 und dem hier besprochenen Mu7 dagegen noch überschaubar. Dass man sich Zeit gelassen hat, ist allerdings immer ein gutes Zeichen. Und in einer doch meist sehr lauten Welt, bin ich gespannt auf jedes neue Modell mit Active Noise Cancelling-Funktion – kurz ANC. Diese gelingt beim Mitbewerb mal mehr mal weniger gut und die Entwicklung und Verbesserung der angebotenen Modelle schreitet stets voran. So will man auch bei KEF in Sachen ANC, Klang, Design und Akkulaufzeit neue Gefilde erschlossen haben. Ich bin gespannt, wie gut das gelungen ist und wo der mobile Schallwandler zu überzeugen oder die Konkurrenz zu überflügeln weiß. Und vor allem will ich erfahren, wie er in Aktion klingt.
Mehr als Design
Geliefert wird mein Testgast in einer stabilen, schlichten Verpackung aus festem Karton. Wie es sich heutzutage gehört, wird der Kopfhörer in einem, darin gebetteten, stabilen Etui geliefert. Dieses ist außen mit grauem Stoff bespannt, innen mit weichem schwarzen Material. In einem Fach finden die mitgelieferten Kabel Platz. Der KEF Mu7 ist definitiv einer der schönsten Kopfhörer, die ich jemals in der Hand hatte. Das Design stammt von der Design-Legende Ross Lovegrove. Am auffälligsten sind der schmale Kopfbügel und die nach innen gewölbten Ohrmuscheln. Das Ganze wirkt durchdacht und edel, ohne dabei zu Protzen. Anhand des ungewöhnlich schlanken, filigranen Äußeren neige ich fast dazu auch akustisch ebenso edle Eigenschaften zu unterstellen. Ob dem so ist, hören wir später. Die Ohrpolster sind aus Memory Schaum gefertigt und mit Kunstleder überzogen. Diese schmiegen sich sanft an den Kopf und umschließen meine Ohren vollständig. Der Ersteindruck ist schonmal sehr angenehm.
Vorbildlicher Tragekomfort
Der Anpressdruck des Kopfhörers ist relativ fest, aber nicht unangenehm. Damit lässt es sich unterwegs ganz gut aushalten. Und ein gewisses Maß an Druck ist auch nötig, damit die Ohren gut abgeschirmt sind und die Geräuschunterdrückung ihren Dienst tun kann. Insgesamt sitzt der Mu7 aber sehr angenehm auf dem Haupt. Die leichte Bügelkonstruktion ist aus Aluminium gefertigt und punktet durch ihr geringes Gewicht und extreme Stabilität. Auch die Einfassung der Ohrmuscheln ist tadellos. Nichts wackelt oder klappert. Die Größenverstellung rastet in Stufen ein und hat eine fast schon rekordverdächtige Spannweite. Da dürfte kein Kopf außen vor bleiben. Die Verarbeitung kann als vorbildlich bezeichnet werden. Da der Bügel so schmal und leicht daher kommt, braucht er auch nur wenig Polsterung. Mit 309 Gramm ist der KEF Mu7 auch relativ leicht und das Gewicht angenehm auf dem Kopf verteilt. Auch nach mehreren Stunden trägt er sich noch sehr angenehm.
Akkuleistung par excellence
Bevor es auf die Reise geht, richte ich einen Blick auf die Akkuleistung. Die kann sich sehen lassen. Voll aufgeladen soll der Akku bis zu 40 Stunden halten. Damit lässt sich einiges anfangen. Auch die Schnellladefunktion lässt staunen. 15 Minuten genügen, um dem Mu7 für acht Sunden am Laufen zu halten. Für Reiseprofis wie mich, die vor einer Bahnfahrt von Düsseldorf nach Berlin erst am Morgen der Abreise daran denken, die Akkus der technischen Reisebegleiter aufzuladen, ein Segen. Und wohlgemerkt, diese Werte beziehen sich auf die Nutzung mit eingeschaltetem ANC und Bluetooth. Eine Aufladung während der Nutzung ist dagegen nicht möglich. Sobald der USB-Stecker steckt, geht der Sound aus. Aber die passive Nutzung ist immerhin möglich. So dass man bei leerem Akku zwar ohne Noise Cancelling, aber immerhin nicht ganz ohne Musik da steht.
Kompakte Steuerung
In Sachen Bedienung setzt man auf bewährte Rezepte. Ein Touchpad ist in der rechten Ohrmuschel eingelassen. Wie bei den meisten Kopfhörern wird die Lautstärke durch Wischen nach oben erhöht und nach unten gesenkt. Geskippt wird nach rechts, zurück nach links. Ein Fingertipp auf die Mitte startet oder pausiert die Wiedergabe. Ein längeres drücken der Mitteltaste aktiviert den jeweiligen Sprachassistenten. Aber das soll keineswegs heißen, dass man sich bei KEF keine Gedanken darüber gemacht hat, wie man die Steuerung besser machen kann. Denn durch die nach innen gehende Wölbung fällt die Zielrichtung der Gesten besonders leicht. Ich muss gestehen, bei glatten Oberflächen ist es mir schon oft passiert, dass Skip und Volume anders als gemeint erkannt wurden. Hier ist das nicht der Fall. Abgerundet wird die Steuerung durch gerade mal drei Tasten fürs Bluetooth-Pairing, den Power-Button und einem Knopf zum Durchschalten der verschiedenen ANC-Modi.
Der Sound des KEF MU7
Zeit für die erste Runde Musik: Ich hab via Bluetooth das iPhone gekoppelt und wähle den Song „Breathing Underwater“ der kanadischen Synth-Rock-Band Metric aus meiner Playlist. Und hier zeigen sich direkt die Qualitäten des Mu7. Der wunderbar vielschichtige Sound kommt gut zur Geltung. Der Song startet klassisch mit Drums, Gitarre, Bass und einfacher Synth-Fläche. Sobald der klare Gesang von Emily Haines dazu kommt, schleichen sich nach und nach weitere Instrumente ins Arrangement. Ein zusätzliches angezerrtes Synth-Pad, eine zweite Gitarren-Stimme zur Unterstützung der Lead-Gitarre und sphärische Vocal-Samples im Hintergrund. Ich kenne den Song seit seinem Release 2009, aber so habe ich ihn über Kopfhörer noch nicht gehört. Selbst Elemente, die ich zwar wahrnehmen, aber nicht richtig benennen konnte, erscheinen nun klar. Zum Beispiel eine Tremolo-Gitarre im letzten Chorus. Was die Auflösung und Details betrifft, liefert der KEF voll ab.
Neutraler Klang
Für den guten Ton sorgen Full-Range-Treiber mit vierzig Millimetern Durchmesser. Wie von KEF nicht anders zu erwarten, eine eigene Neuentwicklung. Der Treiber liefert bei leiser bis mittlerer Lautstärke ein detailliertes, neutrales Klangbild ab. Bei höheren Lautstärken fängt auch der Bass ordentlich an zu drücken. Auch bei maximaler Lautstärke zerrt der Mu7 nicht. Allerdings werden die Mitten bei Höchstpegeln etwas überbetont. Im Sinne der Gesundheit des Hörvermögens würde ich aber niemandem empfehlen diese abzurufen. Wer auch bei gemütlicherem Volume-Level fette Bässe auf den Ohren will, könnte enttäuscht werden. Ich höre ein paar Songs der Chainsmokers. Experten in Sachen Subbass. Beim Song „Riptide“ ist der Bassbereich gut hörbar und die Tiefe wahrnehmbar. Aber der gigantische Wumms bleibt aus. Mir persönlich gefällt das sehr gut, wenn keine übertriebene Basswiedergabe die hörenswerten Details des restlichen Songs überdeckt. Aber ich könnte ja mal versuchen den Sound etwas anzupassen. Moment.
Ein Leben ohne App ist möglich
Weil mich das Design und der Sound so eingenommen haben, habe ich bis jetzt nicht bemerkt, dass der Flaggschiff-Kopfhörer keine App hat. Eigentlich jeder Kopfhörer, den ich bisher in den Händen und auf dem Kopf hatte, verfügte über eine eigene Software. Wenigstens die Installation von Software-Updates, Steuerung des ANC oder Sound-Optionen waren irgendwie Standard. Ersteres bereitet mir ein wenig Sorge, aber hier würde KEF sicher für entsprechende Möglichkeit sorgen, sollte in der Zukunft mal ein Software-Update nötig sein. Die fehlenden Einstellungsmöglichkeiten zeigen irgendwie auch, dass man beim Hersteller sehr von der eigenen Ingenieurskunst überzeugt ist und der Sound so gut ist, wie er ist. Das Fehlen einer App könnte für manchen auch wiederum als Argument für den Kopfhörer durchgehen. Vor allem Einsteiger freuen sich vielleicht auch über Geräte, die einfach zu bedienen sind und mit weniger Optionen daher kommen.
Bluetooth und Multipoint
Ausgestattet mit Bluetooth 5.1. ist der Mu7 technisch voll auf der Höhe der Zeit. Unterstützt werden alle Codecs bis aptX HD. Mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von bis zu 576 Kilobit pro Sekunde ermöglicht das die Audio-Wiedergabe in einer Qualität, die einen Unterschied zur CD kaum mehr hörbar werden lässt. Ebenfalls ein tolles Bluetooth-Feature ist die Multipoint-Verbindung. Das bedeutet, dass eine Verbindung mit zwei Sendern gleichzeitig möglich ist. Einmal eingeschaltet, wird automatisch eine Verbindung zu den zwei zuletzt verbundenen Geräten hergestellt – natürlich sofern diese eingeschaltet sind. Der Vorteil ist, dass ohne manuelles Neuverbinden zum Beispiel Notebook und Smartphone gleichzeitig verbunden werden können. So kann man zum Beispiel am Computer ein Video schauen und den Ton von diesem auf dem Kopfhörer ausgeben. Kommt dann ein Anruf am Smartphone rein, kann dieser auch über den KEF angenommen und geführt werden. Die vorherige Wiedergabe wird in der Zwischenzeit pausiert.
In Ruhe Unterwegs
Die Noise Cancelling-Funktion ist meiner Meinung nach ausgesprochen gut gelungen. KEF liefert hier eine Geräuschunterdrückung an, die dem preislichen Segment in dem wir uns bewegen, auf jeden Fall angemessen ist. Neben der regulären Geräuschunterdrückung bietet der Mu7 auch einen Smart-ANC-Modus. Dieser soll wichtige Geräusche besser durchlassen aber vor Rumpeln und Brummen ebenso gut abschirmen wie der normale Modus. Als weitere Option kann das ANC ausgeschaltet werden. Auf einen Durchlass-Modus wurde verzichtet. Das stört mich persönlich überhaupt nicht, da der smarte Modus sehr gut funktioniert. Ebenfalls richtig gut gelungen sind die Telefonie-Features. Wieviele Mikrofone in der Muschel verbaut sind, gibt das Datenblatt nicht her. Aber eine Technologie namens Clear Voice Capture, kurz CVC, soll in Gesprächen die Stimme besonders gut aufnehmen und störende Umgebungsgeräusche reduzieren. Und das funktioniert tatsächlich erstaunlich gut. Man kann ganz normal reden und wird vom Gesprächspartner auch gut verstanden.
Klassischer Musikgenuss
Im Zug konnte ich mich bereits umfassend davon überzeugen, dass das Active Noise Cancelling sehr gute Dienste leistet. Und auch der Tragekomfort ist nach vier Stunden nach wie vor hervorragend. Zeit für etwas entspannendere Musik: Das Album „John Williams: The Berlin Concert“ beinhaltet einige der schönsten Melodien des Meisters von einem üppigen Orchester dargeboten. Mit starken Mitten, klarer Verortung aller Instrumente und einem offenen Klang weiß der KEF auch hier zu punkten. Insbesondere bei „Throne Room & Finale“ aus Star Wars habe ich das Gefühl, geradezu von den warmen Streichern eingehüllt zu werden, nachdem die ikonische Bläsersektion mich von den Füßen gefegt hat. Ein Traum. Auch klassische Musik, die in der Regel einen viel höheren Dynamikumfang hat als Filmmusik, klingt fantastisch. Mozarts Violinkonzerte sind schon eine Art Endgegner für Kopfhörer. Bei unausgewogenen Höhen können diese schnell anstrengend klingen. Der Mu7 gibt jeden Streicher meisterlich wieder. Brava!
Meister aller Klangklassen
Auch beim wilden Mischen aller Musikrichtungen kann ich kein Genre ausmachen, in dem der Kopfhörer sich nicht wohl fühlt. Ob Nu Metal von „Motionless in White“ oder Rammstein. Auch härtere E-Gitarrenmusik mit fetten Drums macht richtig Spaß. Ich könnte allein zehn Abschnitte über all die klanglichen Details schreiben. Auch für zuhause, um in Ruhe Musik zu genießen, abzutauchen oder Arrangements genüsslich zu sezieren, ist der Mu7 ausgezeichnet geeignet. Jetzt aber genug Musik. Für den Rest der Fahrt mache ich mir ein Hörbuch an. Felix von Manteuffel liest „Harry Potter und der Halbblutprinz“. Und auch in der Stimmenwiedergabe gibt es absolut nichts zu beanstanden. Mit der richtigen Mischung aus angenehmer Fülle, einem präsenten Mittenspektrum und sanften Höhen kann man problemlos stundenlang zuhören. Das Limit ist hier höchstens die eigene Aufmerksamkeit oder eben das Ziel der Reise. Denn der Akku ist immer noch mehr als halbvoll.
Fazit
Der KEF Over-Ear vereint alles, was ich mir von solch einem Kopfhörer wünsche. Das ANC ist sehr gut und sorgt für eine angenehme Ruhe auf den Ohren. Die Bedienung ist einfach und intuitiv. Er sieht fantastisch aus und ist trotz der vergleichsweise filigranen Bauweise ausgesprochen stabil und hochwertig verarbeitet. Und das Allerwichtigste: Er klingt einfach fantastisch und fühlt sich in jedem Genre wohl. Lediglich Subbass-Fans werden den Sound vielleicht nicht mögen. Das Fehlen einer App ist ambivalent. Auf der einen Seite schätze ich die dadurch entstandene Einfachheit. Auf der anderen Seite fehlen manchem vielleicht die Optionen. Unterm Strich erhält man für 399 Euro einen hochwertigen, fantastisch klingen Kopfhörer mit tollen Telefonie-Features und überdurchschnittlicher Akkulaufzeit. Ich ziehe meinen Hut vor den Briten. Der KEF Mu7 ist ein Flaggschiff-Modell auf dass sie stolz sein können.
Test & Text: Dominik Schirach
Fotos: Björn Kanka
Klasse: Oberklasse
Preis-/Leistung: sehr gut
90 of 90
90 of 90
89 of 90
Technische Daten
Produktkategorie: | Over-Ear-Kopfhörer mit Noise-Cancelling-Funktion (ANC) |
---|---|
Preis: | 399,00 Euro |
Garantie: | 2 Jahre |
Ausführungen: | - Grau - Schwarz |
Vertrieb: | GP Acoustics, Essen Tel.: 0201 / 170390 www.kef.com |
Gewicht: | - 0,329 Gramm |
Prinzip: | - geschlossen - ohrumschließend (over-ear) |
Treiber: | 2 x 40 mm |
Frequenzbereich: | 20 Hz - 20 kHz (Herstellerangabe) |
Anschluss: | - Bluetooth - Kabel (einseitig geführt, abnehmbar) |
Batterileistung: | bis zu 40 Betriebsstunden (Herstellerangabe) |
Lieferumfang: | - Mu7 - Kopfhörer - Reiseetui - USB-C Kabel - 3,5 mm Klinkenkabel - Flugzeugadapter - Quickstart-Guide |
Pros und Contras: | + Sehr guter Sound für fast alle Genres + Hoher Tragekomfort + Sehr gutes Active Noise-Cancelling + Stabile und trotzdem leichte Bauweise + Schickes Design + Intuitive Steuerung + Multipoint-Verbindung + Angemessenes Preis/Leistungsverhältnis - keine Contras |
Benotung: | |
Klang (60%): | 90/90 |
Praxis (20%): | 90/90 |
Ausstattung (20%): | 89/90 |
Gesamtnote: | 90/90 |
Klasse: | Oberklasse |
Preis-/Leistung | sehr gut |
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