Home » Tests » Marantz Cinema 70s – Flexibler AV-Receiver für Klangliebhaber
14. Februar 2023von Philipp Schneckenburger
ChefredakteurOft strebt Heimkinotechnik nach den Superlativen auf dem Datenblatt. Mit dem Cinema 70s setzt Marantz jedoch auf Qualität im Klang statt Quantität bei den Spezifikationen. Hier soll ein kompaktes, ansprechendes Gerät guten Klang in verschiedensten Setups und bei unterschiedlichen Anwendung bieten. Ob dies der Traditionsmarke gelingt, muss der AV-Receiver im Praxistest beweisen.
„Form follows function“ ist einer der großen Grundsätze des Designs. Und da gerade AV-Receiver stets eine Unmenge von Funktionen in sich vereinen müssen, beschränkt sich die Form meist auf das Wesentliche. Dementsprechend schwer stelle ich es mir vor, einen stylischen AV-Receiver zu entwerfen. Doch genau dies scheint den Leuten in Marantz‘ Designabteilung gelungen zu sein. Dabei besitzt der Cinema 70s die Gestaltungscharakteristika, die viele neue Geräte der Marke aus dem Multikanal- und Stereobereich aufweisen. Die leicht konkave Front weist eine zarte Wabenstruktur auf, die dem Cinema 70s eine gewisse Dynamik verleiht. Die vorgesetzte Frontplatte ist dann funktionell ausgelegt. Sie beherbergt zwei große Drehregler, eine Reihe von Tasten und das bekannte Marantz-Display im typischen Bullaugen-Look. Förderlich für das elegante Erscheinungsbild sind außerdem die kompakten Geräteabmessungen. Mit einer Höhe von lediglich 11 Zentimetern macht der AV-Receiver, gerade im Vergleich mit vielen Konkurrenten, beinahe einen zierlichen Eindruck.
Handschmeichler
Auch haptisch überzeugt der Cinema 70s sein Publikum. Das Metallgehäuse wirkt trotz zahlreicher Lüftungsschlitze erfreulich stabil. Dazu sind die Kunststoffteile der Gerätefront hochwertig gearbeitet und fühlen sich entsprechend gut an. Beide Drehregler überzeugen dann mit einem angenehm hohen Widerstand, wobei auch die Rasterung bei der Quellenwahl das richtige Maß aus Bemerkbarkeit und flüssigem Lauf besitzt. Der Lautstärkeregler kommt hingegen ohne Rasterung aus. Sollte man dann jemals in die Verlegenheit kommen, die Funktionstasten darunter zu nutzen, überzeugen auch diese mit angenehmen Druckpunkten und unaufdringlichem Klicken. Deutlich öfter wird man wohl die Fernbedienung zur Kontrolle verwenden, weshalb Marantz auch hier alles richtig macht. Die Bedieneinheit ist gut dimensioniert und die Belegung überschaubar. Per Knopfdruck werden die leicht gummierten Tasten dann von innen beleuchtet, um auch während der Wiedergabe in abgedunkelten Räumen die Übersicht zu wahren.
Marantz Cinema 70s – Kompaktes Design, volle Ausstattung
Von der formgebenden Front dann zu den funktionellen Eigenheiten der Rückseite. Trotz der überschaubaren Abmessungen des Cinema 70s gibt Marantz seinem neuesten Streich alles mit auf den Weg, was man von einem ausgewachsenen AV-Receiver erwartet. Entsprechend geschäftig geht es auf der rückwärtigen Seite des Gerätes zu, wo sich Ein- und Ausgänge aller Couleur die Klinke in die Hand geben. Bei ersteren sind die HDMI-Ports natürlich die wichtigsten. Davon bietet der Cinema 70s gleich sechs Stück. Bezieht man den HDMI-Ausgang mit eARC hier ein, kommt man sogar auf sieben mögliche Quellen. Alle Unterstützten HDCP 2.3, während sich die mögliche Auflösung aber unterscheidet. 4K bei 120 Hertz ist überall nutzbar. Die letzten drei Inputs sind dann außerdem mit Bildsignalen in 8K bei 60 Hertz kompatibel. Wer keine passenden Quellen aber einen entsprechenden Fernseher nutzt, kann stattdessen das 8K-Upscaling des Receivers verwenden.
All-in-one
Abseits der HDMI-Buchsen bietet Marantz außerdem zwei digitale und drei analoge Eingänge. Mit einer Reihe von Pre-Outs lässt sich der Receiver außerdem auch als Multikanal-Vorstufe, beispielsweise in Verbindung mit Aktivlautsprechern nutzen. Letztlich schickt sich der Cinema 70s aber auch an, die Komplettlösung für Filme und Musik zu sein. So bietet das schlanke Multitalent außerdem Antennen für Ultrakurz- und Mittelwelle, ebenso wie einen Phono-Eingang für MM-Tonabnehmer. Zu guter letzt ermöglichen die Bluetooth- und Netzwerkschnittstellen des Gerätes auch das Musikstreaming. Dazu verwendet Marantz sein HEOS-Multiroom-System, das neben lokalem und Online-Streaming auch die Übertragung aller am Cinema 70s angeschlossenen Quellen auf kompatible Audiosysteme ermöglicht. Damit deckt der AV-Receiver also praktisch alle audiovisuellen Bedürfnisse ab, die man sich in einem modernen Wohnzimmer wünschen kann. Und das bei minimalem Platzbedarf. Zumindest, wenn man die Lautsprecher hier einmal außen vor lässt, denn schließlich ist die Surround-Wiedergabe bis hin zu 7.2-Setups die Hauptaufgabe des Systems.
Sound statt Specs
Fronts, Center, Surrounds und Surround Back Kanäle treibt der Cinema 70s mit seinen integrierten Endstufen an. Diese stellen bis zu 50 Watt pro Kanal und bei einer Impedanz von acht Ohm zur Verfügung. Nutzt man stattdessen Schallwandler mit sechs oder vier Ohm, liefert der AV-Reciever natürlich entsprechend mehr Leistung. Auf dem Papier zieht der Marantz damit aber im Vergleich mit vielen anderen Modellen den kürzeren. Allerdings kommen hier auch nicht die typischen Class-D-Kraftwerke zum Einsatz, die man in einem Multikanal-Verstärker üblicherweise erwarten würde. Marantz legte den Fokus beim Cinema 70s auf einen natürlicheren, wärmeren Sound, der vielen Class-D-Endstufen abgeht. Stattdessen nutzen die Japaner hier eine Verstärkung nach Class-AB, die eben jenen Klang liefern sollen. Da diese Art der Verstärkung allerdings weniger effektiv ist, als die „digitale“ Variante, bleiben die Zahlen auf dem Datenblatt etwas niedriger.
Sicher durch das Setup
Seine Kraft stellt der Cinema 70s wie gesagt bis zu sieben Kanälen zur Verfügung. Welche das genau sind, lässt sich allerdings vom Nutzer frei entscheiden. Auch für Setups bei denen nicht die maximale Anzahl an Lautsprechern zum Einsatz kommt, bietet Marantz AV-Receiver also eine gute Einsatzmöglichkeit. Verzichtet man beispielsweise auf einen Subwoofer, verwendet aber Frontlautsprecher und Center, ist dies kein Problem. Damit selbst Anfänger in das Thema Surroundsound hier zielsicher die richtigen Einstellungen machen können, bietet das System einen praktischen Einrichtungsassistenen, den man im Menü auswählen kann. Dieser leitet einen Schritt für Schritt durch die Aufstellung und den Anschluss von Quellen und Lautsprechern. Mit Testtönen und -signalen wird bereits währenddessen überprüft, ob tatsächlich alles korrekt ist. Dabei lassen sich auch die verschiedenen Eingänge umbenennen, um den Cinema 70s wirklich vollständig für seine vorgesehenen Einsatzzwecke zu optimieren.
Umfangreich in Technik und Zubehör
Wir verbinden in unserem Testsetup einmal die beiden Welten der Musik- und Filmwiedergabe. Der Cinema 70s wird also zur Schaltzentrale zwischen Fernseher, Blu-ray-Player und Musikserver. Für die Ausgabe des Sounds gesellen sich dann zwei Standlautsprecher mit integrierten Dolby Atmos Speakern dazu. Eine Aufstellungsmöglichkeit, die auch der Einrichtungsassistent auf dem Schirm hat. Entsprechend lässt sich jenes Setup dort direkt auswählen und auf seine Funktionalität hin prüfen. Außerdem bietet Marantz‘ System hier direkt die Möglichkeit einer automatischen Raumeinmessung mit Hilfe der MultEQ, DynamicEQ und Dynamic Volume Technologien von Audyssey. Genutzt wird dafür das im Lieferumfang befindliche Mikrofon, das an der Front des AV-Receivers angeschlossen wird. Und damit dieses auch stets in er richtigen Position messen kann, liegt zusätzlich ein zusammensteckbares Stativ aus Pappe im Karton. Auch die Dreingabe von Aufklebern zur Markierung der einzelnen Lautsprecherkabel soll an dieser Stelle einmal lobend erwähnt sein.
Drei-Gänge-Menü
Für die Raumkorrektur verlangen Audyssey und Marantz dann nach insgesamt sechs unterschiedlichen Messungen. Die erste findet direkt am Hörplatz statt, dann folgen zwei links und rechts daneben, abgeschlossen durch drei Messungen an ähnlichen Stellen weiter vorne. Das zieht den Vorgang natürlich ein wenig in die Länge, führt aber eben zu einem besseren Ergebnis als eine einzelne Messung. Wer möchte kann natürlich auch alle Abstände, Laufzeiten und Pegel manuell einstellen. Auch dies gelingt dank des recht übersichtlich gestalteten On-Screen-Menüs recht komfortabel. Insgesamt lässt sich der Cinema 70s damit gut bedienen. Alternativ kann man auch zur Marantz AVR Remote App greifen. Allerdings wirkt das Design der App ein wenig altbacken und bietet keine echten Vorteile gegenüber dem OSM. Stattdessen wird darum die HEOS Streaming-App geöffnet, um Marantz‘ vielseitiger Klanglösung die ersten Töne zu entlocken. Zuvor wird aber mit der Fernbedienung noch der Music-Modus auf Stereo gestellt.
Streaming-Kompetenz
Musikhören mit einem AV-Receiver ist oft eine eher dröge Angelegenheit. Nicht so beim Cinema 70s, der auch den HiFi-Bereich im Fokus hat. So kreiert er eine erfreuliche breite Bühne, die auch in der Tiefe einiges zu bieten hat. Dazu macht sich gleich die Verwendung der Class-AB-Endstufen bemerkbar. Beschwingt und mit einem zarten Hauch akustischer Wärme, spielt der Receiver sehr musikalisch und natürlich auf. Dabei geht die tonale Färbung allerdings nicht so weit, dass die Trennung der einzelnen Komponenten unter ihr leiden würde. Stattdessen erhalten Drums, Gitarren, Klaviere, Streicher und Gesang einen schönen Körper und werden differenziert abgebildet. Dabei hat der Cinema 70s hat keine Mühe, gerade im Bassbereich die nötige Kraft mit einer guten Kontrolle der Lautsprecher zu kombinieren. Dazu schweben die Vocals schön zentral im Raum, während im Hochton feine Details erkennbar bleiben. Hier bietet der Marantz deutlich mehr, als eine Notlösung für das Musikhören zwischendurch.
Live-dabei-Gefühl
Beim Feintuning mit Hilfe von Dolby Atmos Trailern und Testsignalen zeigt der Cinema 70s dann die Zähne. Obwohl nur mit vier Kanälen gearbeitet wird, ist die räumliche Darstellung die der Receiver erzeugt eine echte Wucht. Signale des Centerkanals scheinen wirklich direkt unter dem Fernseher zu entstehen und auch die Effekte der beiden Surroundkanäle lassen sich ziemlich präzise verorten. Und das, obwohl links und rechts der Couch gar keine Lautsprecher stehen. Während dem Luftangriff in „Unbroken“ dröhnen die Treibwerke der Bomberstaffel über den Himmel. Wechselt die Szene in das Innere des Flugzeugs, füllt sich der Raum mit dem Surren, Rattern und Rauschen der Maschine. Gleichzeitig sind die Originaldialoge wunderbar verständlich, klingen natürlich und klar. Mit dem Einsatz des Flak-Feuers schieben sich tiefe, kraftvolle Bassstöße in den Raum, die der Cinema 70s ausgezeichnet kontrolliert. Selbst die schnellen Feuerstöße aus den großen Maschinengewehren des Bombers bereiten dem Marantz keine Probleme.
Kino nach Maß
Es folgt der Wechsel zur Blu-Ray von „Avengers: Age of Ultron“. Erneut überzeugt die ausgezeichnete Stimmwiedergabe. Ob Chris Hemsworth sonores Knurren oder Mark Ruffalos nervöses Murmeln, alles klingt charismatisch und natürlich. Dazu generiert der Cinema 70s erneut ein sehr großes Soundfeld, bei dem sich Effekte angenehm präzise und gut gestaffelt im Raum orten lassen. Der epische Soundtrack untermalt das Geschehen aus dem Hintergrund, während sich Effekte und Stimmen davor aufbauen. In den Actionszenen kommt dann erneut der typische Class-AB-Charakter des Marantz zum Vorschein. Tritte, Schläge, Kollisionen und Detonationen wirken wunderbar voll und plastisch. Alles scheint stets satt und dynamisch, ohne dass Definition oder Details merklich leiden. Um wirklich hohe Pegel zu fahren, muss man die Endstufen dann zwar ein wenig weiter ausreizen, doch letztlich mangelt es in der Praxis nie an Leistung. Die Rechnung von Qualität vor Quantität geht hier also ganz klar auf.
Fazit
Der Marantz Cinema 70s bietet die Vollausstattung für Filme und Musik in einem kompakten, wohnraumfreundlichen Gerät. Umfangreich ausgestattet und optimal auf jeden Einsatzzweck abstimmbar, lässt sich der 70s praktisch in jedem Setup einsetzen. Ob im 7.2 Wohnzimmerkino oder in Kombination mit Stereo-Lautsprechern liefert er dabei stets gute Räumlichkeit. Besonders sein kraftvoller, natürlicher Sound hebt in aber letztlich von seinen Konkurrenten ab. Und dank seiner guten Bedienbarkeit und dem umfangreichen Einrichtungsassistenten, kommen auch Einsteiger hier schnell zum besten Klang- und Nutzererlebnis. Wer von seinem AV-Receiver mehr erwartet, als die reinen Muskelspiele auf dem Datenblatt, ist beim Marantz Cinema 70s genau richtig.
Test & Text: Philipp Schneckenburger
Fotos: Branislav Ćakić
Klasse: Oberklasse
Preis-/Leistung: sehr gut
90 of 90
90 of 90
90 of 90
Technische Daten
Modell: | Marantz Cinema 70s |
---|---|
Produktkategorie: | AV-Receiver |
Preis: | 1.000 Euro |
Garantie: | 2 Jahre |
Ausführungen: | - Schwarz - Silber-Gold |
Vertrieb: | Sound United, Nettetal 02157 12080 www.marantz.de |
Abmessungen (H x B x T): | 109 x 442 x 372 |
Gewicht: | 8,7 kg |
Decoder: | - Dolby Atmos - DTS:X - PCM |
Kanäle: | 7.2 |
Auflösung: | - 4K, 120 Hz - 8K/ 60 Hz |
Eingänge: | 6 x HDMI 1 x Ethernet 1 x Toslink optisch 1 x S/PDIF koaxial 3 x Cinch Stereo 1 x Cinch Phono (MM) 1 x UKW koaxial 1 x MW 1 x USB-A (vorne) 1 x Mic-In (vorne) - WLAN - Bluetooth |
Ausgänge: | 1 x HDMI eARC 7 x Lautsprecher Mono 4 x Cinch Stereo Pre-Out 3 x Cinch Mono Pre-Out 1 x 6,3 mm Kopfhörerausgang (vorne) - Bluetooth |
Leistung: | 50 Watt/ 8 Ohm pro Kanal (Stereo/ Herstellerangabe) |
Impedanz: | 4 - 16 Ohm |
Streaming: | - HEOS App (UPnP, Tidal, Spotify, Amazon Music, Deezer, Napster, Soundcloud, TuneIn) - AirPlay2 - Spotify Connect - roon ready - Bluetooth |
Abtastraten: | PCM: bis 192 kHz/ 24 Bit DSD: bis DSD128, 5,6 MHz/ 1 Bit |
Lieferumfang: | 1 x Cinema 70s 1 x Fernbedineung (inkl. Batterien) 1 x Stromkabel 1 x Mikrofon 2 x Schraubantenne WLAN/ BT 1 x UKW-Antenne 1 x MW-Antenne 1 x Kanal-Aukleber 1 x Papp-Stativ 1 x Anleitung |
Pro & Contra: | + sehr gut individualisierbar + umfangreiche Ausstattung + stylisches, kompaktes Design + gute Bedienbarkeit + effektive Up-/ Downmixing + praktischer Einrichtungsassistent + natürlicher, kräftiger Klang + gute Räumlichkeit - Bedienapps etwas träge |
Benotung: | |
Klang (60%): | 90/90 |
Praxis (20%): | 90/90 |
Ausstattung (20%): | 90/90 |
Gesamtnote: | 90/90 |
Klasse: | Oberklasse |
Preis-/Leistung | sehr gut |
Getestet mit: | Metz blue 65MUC8001Z Oppo UDP-203 Canton GLE 90 AR Avinity High Speed HDMI Viablue SC-4 |