Home » Rezensionen » Reach Me – Jeder hat so seine Probleme
1. Juni 2015von Martin Sowa
RedakteurEin Motivationsratgeber hilft vielen Leuten, ihr Leben zu ändern und ihre Träume zu verfolgen. Doch niemand kennt den Autor des Bestsellers – wodurch der unbekannte Schriftsteller ins Visier einer Klatsch-News-Seite gerät und sich plötzlich selbst mit seinen eigenen Ängsten auseinandersetzen muss.
Teddy Raymond (Tom Berenger) hat sich mit Reach Me eine riesige Fangemeinde erarbeitet. Sein Buch hilft den Lesern, sich endlich zu motivieren und langersehnte Ziele zu verfolgen. Für den kettenrauchenden Journalisten Roger (Kevin Conolly), der lieber erfolgreicher Romanautor wäre, ist das alles allerdings nur Hokuspokus und auch sein Chef Gerald (Sylvester Stallone) steht dem Hype skeptisch gegenüber. Also setzt er Roger darauf an, die geheimnisvolle Identität Raymonds zu lüften und ihn als Hochstapler bloßzustellen. Roger kommt allerdings ins Grübeln, als er auf Kate (Lauren Cohan) und ihre Geschichte stößt.
Für den Gangster-Rapper E-Ruption (Nelly) hingegen ist Raymond ohne Frage ein Held, denn er gab ihm mit Reach Me Kraft, eine ungerechtfertigte Gefängnisstrafe zu verarbeiten und seine Karriere als Musiker zu starten. Auch Colette (Kyra Sedgwick) ist gerade aus dem Knast gekommen – sie hatte das Haus ihres Ex-Mannes angezündet – und schöpft durch den Ratgeber neue Hoffnung. Ihre Nichte Eve (Elizabeth Henstridge) wünscht sich ihrerseits eine Karriere als Schauspielerin und holt Colette nach ihrer Entlassung ab. Dabei treffen sie auf den schießwütigen Cop Wolfie (Thomas Jane), der mit Wild-West-Methoden arbeitet und beinahe täglich beim alkoholabhängigen Priester Paul (Danny Aiello) auftaucht, um wieder einmal zu beichten, dass er gegen das Gebot „Du sollst nicht töten“ verstoßen hat.
Währenddessen hat Gangsterboss Frank (Tom Sizemore) ziemlichen Stress, weil seine Handlanger Thumper (David O’Hara) und Domenic (Omari Hardwick) keine Lust mehr darauf haben, irgendwelchen Leuten das Gesicht zu derangieren. Sehr zur Freude von Tommy (Christoph M. Ohrt) und seiner Freundin Denise-Denise (Rebekah Chaney), die Frank Geld schulden. Also macht Frank sich selbst auf die Suche und landet mitten im Chaos von Venice Beach, wo Raymond sich endlich auch seinen eigenen Ängsten stellen will.
Eigentlich ist recht schnell klar, in welche Richtung Reach Me führt und die Story an sich ist gar nicht mal so spektakulär. Allerdings bringen fast alle Darsteller ihre Charaktere sehr gut rüber und die einzelnen Handlungsstränge wissen durchaus zu überzeugen. Zum Einstieg werden sie mehr oder weniger kurz angerissen und die Figuren vorgestellt. Allerdings werden die einzelnen Kapitel nicht einfach aus verschiedenen Richtungen zum gemeinsamen Zielpunkt geführt, sondern von Regisseur und Drehbuchautor John Herzfeld bereits auf dem Weg dorthin teilweise miteinander verwoben. Dadurch wächst die Story viel gleichmäßiger zusammen, als man es von ähnlich angelegten Filmen kennt und die einzelnen Stränge lassen sich deutlich leichter verfolgen. Besonders auffällig ist dabei (in Ermangelung einer „echten“ Hauptfigur) die Geschichte um die Recherchen des Klatsch-Reporters Roger, der dem Autor Teddy Raymond auf den Pelz rückt. Die Chemie zwischen dem vor allem aus TV-Serien und Romantic Comedys bekanntem Kevin Conolly und seinen deutlich älteren Kollegen Tom Berenger (u.a. „Inception“, „Sniper: Legacy“) und dem sehr zurückhaltend agierenden Sylvester Stallone stimmt bis ins Detail und zieht das Publikum in ihren Bann. Interessante Nebeninformation: Der hier als Chef und „Mentor“ auftretende Stallone verschaffte Conolly mit einer Rolle in „Rocky V“ dessen Filmdebüt.
Unter all den anderen Figuren des sehr hochkarätig besetzten Ensembles spielt sich auch Thomas Jane als knallharter Cop in den Vordergrund, indem er als übertrieben coole Sau keinem Konflikt aus dem Weg geht und sich in bester „Punisher“-Manier durch den Film schießt und prügelt. Auch die mehrfach ausgezeichnete Kyra Sedgwick kann in ihrer Rolle als durchgeknallte und geläuterte Brandstifterin überzeugen und wechselt dabei ansatzlos zwischen schüchtern, naiv und selbstbewusst. Somit dürfte jeder Zuschauer in der Fülle der Charaktere seinen persönlichen Favoriten finden.
Für das deutsche Publikum taucht mit Christoph M. Ohrt ein bekanntes Gesicht auf, der in der Rolle des cholerisch-chaotischen Tommy mal ganz anders in Erscheinung tritt als üblicherweise in deutschen Produktionen.
Ebenfalls beeindruckend ist die technische Qualität von Reach Me. Selbst bei unserer Test-DVD ist das Bild hervorragend, mit brillanten Einstellungen und sehr schöner Kameraführung. Der Ton passt ebenfalls sehr gut, nicht zuletzt dank der mit Bedacht gewählten Filmmusik erfährt die Handlung dadurch eine atmosphärische Betonung. Einziges Manko ist das fehlende Bonusmaterial – nur der Original-Trailer ist als Sonderausstattung wirklich dürftig.
Fazit
Auf den ersten Blick erscheint Reach Me als nicht besonders innovativ – der zweite Blick lohnt sich allerdings, denn die Umsetzung des Ansatzes, der Story und der Figuren gelingt sehr gut und macht das Drama zu einer echten Überraschung. Dazu tragen auch die immer wieder beeindruckende Bildkomposition und die sehr schöne Filmmusik bei.
„Reach Me“ ist als DVD und Blu-ray im Vertrieb der EuroVideo Medien GmbH erhältlich.
Genre
Drama
Laufzeit
ca. 92 Minuten
Altersfreigabe
ab 16 Jahren
Regie
John Herzfeld
Cast
Sylvester Stallone, Tom Berenger, Thomas Jane, Kyra Sedgwick, Kevin Connolly, Christoph M. Ohrt, Nelly, Danny Trejo
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