Home » Rezensionen » Self/less – Ich möchte nicht in deiner Haut stecken…
23. Dezember 2015von Martin Sowa
RedakteurFür den grenzenlos reichen Bauunternehmer Damian Hale gibt es so gut wie keine unmögliche Herausforderung. Bis auf die Krebserkrankung, die seinen baldigen Tod bedeutet. Allerdings gibt es da noch eine Alternative.
Geld spielt im Leben von Damian Hale (Sir Ben Kingsley) keine Rolle; er hat mehr, als er ausgeben kann. Seine privaten Wohnräume in seinem Wolkenkratzer sind fast komplett vergoldet und von hier überblickt er gottgleich „seine“ Stadt New York. Doch Hale lebt einsam in seinem Luxus, sogar seine Tochter Claire will nach seiner jahrelangen Abwesenheit von ihm nichts wissen. Einzig sein Geschäftspartner und Freund Martin O’Neil (Victor Garber) steht ihm zur Seite, als Hale erfährt, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist und ihm nur noch ein paar Monate bleiben. Als er aufgrund der fortgeschrittenen Krankheit zusammenbricht, findet er am Krankenbett eine Visitenkarte, über die er an einen mysteriösen Wissenschaftler namens Albright (Matthew Goode) gerät. Dieser eröffnet ihm eine Überlebenschance: Ein Verfahren namens „Shedding“ soll dafür sorgen, dass Hales Bewusstsein in einen genetisch gezüchteten, gesunden Körper übertragen wird. Der Preis: „lächerliche“ 250 Millionen Dollar und die Abkehr vom alten „Ich“ zugunsten einer neuen Identität.
Hale entscheidet sich nach einer Bedenkzeit für den radikalen Schritt, täuscht mit der Hilfe von Albrights Organisation seinen Tod vor und findet sich kurz darauf in einem neuen Körper wieder. Fortan lebt er als junger Mann namens Edward (Ryan Reynolds) in New Orleans, mit dem noch immer sehr beträchtlichen Rest seines Vermögens genießt er seine „Wiedergeburt“. Einzige Nebenwirkung: er wird regelmäßig von Halluzinationen geplagt, gegen die er täglich Medikamente einnehmen muss. Albright besucht ihn regelmäßig zur Visite und bringt ihm die neue Wochenration der Pillen. Doch seine Erklärungen, warum Edward/Hale in seinen Halluzinationen immer wieder dieselbe Frau (Natalie Martinez) sieht, stellen seinen Patienten nicht zufrieden. Ganz im Gegenteil findet dieser immer Puzzlestücke, die weitere Fragen aufwerfen. Und das vermeintlich sorgenfreie neue Leben wird plötzlich sehr, sehr kompliziert…
„Aber wie soll das denn funktionieren?“
Das Autorenduo Alex und David Pastor verzichtet glücklicherweise darauf, irgendwelche Details zum Verfahren des „Sheddings“ preiszugeben, die dann wahrscheinlich als pseudowissenschaftlich abgetan würden. Schließlich ist allein die Vorstellung, dass man einfach so das Bewusstsein beziehungsweise den „Geist“ eines Menschen in einen neuen Körper transferieren könnte, schon unrealistisch genug. Insofern sollte man sich bei Self/less auch nicht unbedingt auf die Hintergründe dieser Methode konzentrieren, sondern den Thriller vielmehr unter der Fragestellung „Und wenn es wirklich möglich wäre?“ ansehen. Denn schnell geht es gar nicht mehr vordergründig um diesen spektakulären wissenschaftlichen Schritt, sondern um die Folgen eines solchen Eingriffs.
Zunächst konzentriert sich Regisseur Tarsem Singh in Self/less voll auf die Hauptfigur Damian Hale, der mit dem eigenen Tod konfrontiert den Schritt in ein neues Leben wagt und nach anfänglichen Startschwierigkeiten (wie bei einer Transplantation muss er sich an das neue Organ beziehungsweise in seinem Fall einen komplett neuen Körper gewöhnen) sehr glücklich über diese Entscheidung ist. Erst nach rund einer Stunde Spielzeit kommt es dann zum Wendepunkt und aus dem bis dahin eher von „psychischer Action“ geprägtem SciFi-Film wird nun zunehmend ein physischer Thriller – Kampfszenen und Verfolgungsjagden inklusive. Allerdings gibt es währenddessen auch noch weitere Szenen, die immer mal wieder für unvorhersehbare Überraschungen sorgen. Einziger Kritikpunkt (neben dem mittlerweile für Hollywood offenbar zum Standard gewordenen Apple-Fanatismus): Self/less hätte noch gut und gerne eine weitere Stunde Spielzeit gebrauchen können, damit sich die Puzzlestücke des doch ziemlich komplexen Handlungsgeflecht weniger schnell und teilweise beiläufig zusammenfügen könnten.
Kingsley für Charakter, Reynolds für Action
Weniger überraschend ist, dass für diesen Teil des Films dann Ryan Reynolds die Hauptrolle übernimmt, nach dem Sir Ben Kingsley den Immobilienmogul Damian Hale gewohnt souverän und sicher in die Geschichte einführt. Fans von „Lucky Number Slevin“ werden ihn in den Anfangsszenen Self/less spätestens dann wiedererkennen, wenn er aus seinem „Turm“ hinaus auf die Stadt blickt. Kingsley ist dabei dafür zuständig, dem Charakter der Figur Ausdruck zu verleihen, während Reynolds anschließend den Konflikt zwischen dem erfahrenen, „weisen alten Mann“ und seinem jungen Körper übernimmt. Das gelingt beiden gleichermaßen gut, vor allem Reynolds bringt die sehr gut getroffenen „Kopie“ von Kingsleys Vorlage und seine eigene Version von Hale mit fließendem Übergang in Einklang.
Dabei harmoniert Reynolds vor allem im Zusammenspiel mit Matthew Goode, der den mysteriösen Albright so eiskalt wie selbstbewusst verkörpert. Selbst dem Zuschauer bleiben dessen Beweggründe lange verborgen, was gleichzeitig zu einer stärkeren Identifikation mit dem von ihm behandelten Hale führt.
Die Verbindung Reynolds‘ zur von Natalie Martinez verkörperten Figur hingegen wirkt etwas distanziert, was allerdings aufgrund der Story von Self/less nachvollziehbar ist – da jetzt ins Detail zu gehen, würde wohl schon zu viel verraten. Nur so viel: Auch hier funktioniert das Zusammenspiel von Reynolds und der eher aus TV-Serien bekannten Martinez hervorragend im Sinne des Drehbuchs.
Top-Qualität, aber knappes Bonusmaterial
Was eher weniger positiv auffällt: Das Bonusmaterial ist sehr schlank ausgefallen, bis auf zwei kurze Featurettes ohne großartige Hintergrundinformationen gibt es nur noch ein paar Trailer (die im Vorspann präsentierten Programmhinweise zu den Filmen „Kind 44“ und „Nightcrawler“ sind allerdings wie die Filme selbst das Anschauen absolut wert!). Ein umfangreicheres Behind-the-Scenes mit Blick auf die Darstellung einer Rolle durch zwei Schauspieler oder eine ausführlichere Darstellung der dem Film zugrunde liegenden Wissenschaft (deren Vertreter kommen in den Featurettes nur sehr kurz zu Wort) hätten sicherlich einige interessante Informationen geliefert – insbesondere, wenn man sich wirklich auf die Vorstellung einlässt, dass der in Self/less vorgestellte Vorgang des Bewusstseinstransports möglich sei.
Weitaus zufriedenstellender ist da die Qualität der Blu-ray, die vor allem beim Bild überzeugt. Abgesehen von ein paar etwas zu dunkel geratenen Szenen gibt es da nichts zu meckern. Beim insgesamt ebenfalls guten Ton sind die Dialoge leider ein wenig zu leise, was insbesondere in der ersten Stunde auffällt. Im späteren actionreicheren Teil ist das dann schon deutlich besser gelungen.
Fazit
Ein bisschen muss man sich auf Self/less einlassen, dann aber ist der Science-Fiction-Thriller äußerst packend und lässt kaum einmal Zeit für eine Atempause. Die sich stetig entwickelnde Handlung verläuft nicht so linear wie man es sonst kennt und funktioniert auch dank der hervorragenden Schauspieler dementsprechend sehr gut. Lediglich das knappe Bonusmaterial sorgt für leichte Schwächen in der B-Note.
„Self/less“ ist als DVD und Blu-ray im Vertrieb von Concorde Home Entertainment erhältlich.
Genre
Science-Fiction/Thriller
Laufzeit
ca. 118 Minuten
Altersfreigabe
ab 12 Jahren
Regie
Tarsem Singh
Cast
Ryan Reynolds, Ben Kingsley, Matthew Goode, Natalie Martinez, Victor Garber, Michelle Dockery
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98 of 100
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